Mein zauberhafter Ritter
heftig.
Eigentlich war das ein Glück, da sie das jäh in die Wirklichkeit zurückholte. Was bildete sie sich eigentlich ein zu glauben, Montgomery de Piaget könnte je etwas anderes sein als Stoff für ausführliche Fantasien — später, wenn sie wieder wohlbehalten in der Zukunft war? Wenn sie in ihrer neuen Wohnung saß, umgeben von Stoffen, Ideen und selbst entworfenen Schnittmustern, die den langen Arbeitstisch von einem Ende zum anderen bedeckten?
Ja, sie konnte es kaum erwarten, ins 21. Jahrhundert zurückzukehren. Die Aussicht begeisterte sie derart, dass sie der Versuchung nachgab, eine Liste all der Dinge aufzustellen, die sie so schrecklich vermisste. Sie fing mit Käsechips an und arbeitete sich durch die vier Nahrungsmittelgruppen von dick mit Käse und Butter bestrichenen Kräckern, mit Soße überschüttetem Gemüse und Pizza bis hin zur Schokolade vor. Nachdem sie alles Essbare zu ihrer Zufriedenheit abgehakt hatte, wandte sie sich den modernen Wunderwerken sanitärer Anlagen, Kosmetika und klimatisierter Innenräume zu.
Danach befasste sie sich mit dem Thema, das ihr am meisten am Herzen lag: die absolute Herrschaft über die Welt der Mode. Zuerst würde sie New York im Sturm erobern, dann Paris und zu guter Letzt Mailand. Für ihre Modenschauen würde man selbst die Stehplätze schon Jahre im Voraus reservieren müssen. Ihre innovativen Entwürfe würden Thema an allen angesehenen Designerschulen sein, und ihre Kleider würden Plakatwände, Werbeflächen auf Bussen und die Seiten von Modezeitschriften zieren. Vielleicht würde sie ja sogar so nett sein, Cindi einen gelegentlichen Fototermin zu vermitteln. Schließlich war Großzügigkeit kein Problem, wenn man es sich leisten konnte.
Der Gedanke an die übrigen Bereiche ihres Lebens, die einer dringenden Reparatur bedurften, begeisterte sie hingegen weitaus weniger. Sie malte sich schon aus, wie sie ihre Zeit auf Peaches’ Sofa würde absitzen müssen, während eine gut gemeinte Gardinenpredigt über die Vorzüge von geordneten Verhältnissen und einer guten Hausratsversicherung auf sie
Nein, darüber brauchte sie sich jetzt nicht den Kopf zu zerbrechen. Wenn sie nur ihren USB-Stick wiederfand, hatte sie ihre Entwürfe beisammen und konnte sich, unterstützt von einem Gönner wie Stephen de Piaget, der ihr sicher finanziell unter die Arme greifen würde, noch viele weitere einfallen lassen. Wo also lag das Problem?
Nun, da war zum Beispiel die Tatsache, dass sie dazu die Vergangenheit aufgeben musste - und damit einen Mann, der offenbar kleine Kinder liebte, eine Engelsgeduld hatte und ihr gleichzeitig das Gefühl von Hilflosigkeit und Geborgenheit vermittelte.
Allerdings empfand seine Verlobte sicher genauso für ihn, weshalb sie, Pippa, ein Märchen verpassen würde, in dem für sie kein Platz vorgesehen war.
Wieder einmal typisch.
Dafür würde sie nun endlich in ihrer eigenen Vergangenheit klar Schiff machen. Jetzt war endgültig Schluss mit den Nebenrollen. Sobald sie in der richtigen Zeit angelangt war, würde sie Cindi das dämliche Krönchen vom Kopf reißen und es sich selbst aufsetzen. Denn irgendwann - wahrscheinlich, als Montgomery de Piaget sich von den Mordversuchen seiner Cousins eine Auszeit genommen hatte, nur um ihr die völlig überflüssige Kunst des Reitens beizubringen - hatte sie die Diva in sich entdeckt. Sie hatte es satt, sich von ihrer Schwester schikanieren zu lassen. Selbst Peaches würde sie bei ihrer Standpauke mit dem Thema »Hättest du doch eine Hausratsversicherung abgeschlossen« klare Grenzen setzen. Sie würde ihr eigenes Märchen schreiben, und zwar komplett mit den passenden Kleidern. Und dann würde sie einen Mann treffen, der sie zwar wegen ihrer Diva-Qualitäten anbetete, aber ansonsten männliche Dinge tat, wie Schweinebratenkrusten zu essen und dabei Fußball zu glotzen, damit ihr die Zeit blieb, weitere Requisiten für ein Glück bis an ihr Lebensende zu schaffen, dessen Star sie selbst war.
Allerdings ging dieser Plan nur auf, wenn man außer Acht ließ, dass sie das herbeigesehnte mittelalterliche Märchenidyll eigentlich schon beinahe lebte.
Nicht dass diese Sehnsucht jemals in Erfüllung gehen würde, selbst wenn sie bereit oder fähig gewesen wäre, in der Vergangenheit zu bleiben. Montgomery war nicht nur bedauerlicherweise mit einer Frau verlobt, die er nie mit einem Sterbenswörtchen erwähnte, sondern gehörte außerdem - im Gegensatz zu Pippa - dem mittelalterlichen Adel an, was
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