Mein zauberhafter Ritter
Pippa nicht aus seiner Reichweite zu lassen, anstatt sie von sich zu stoßen.
Richtig, das klang vernünftig.
Er betrachtete sie, als sie so ernst und anmutig vor seinem Feuer saß. Ihre dunklen Locken fielen ihr über die Schultern, und sie hatte die Arme um die Knie geschlungen. Er beschloss, dass es nur seine ritterliche Pflicht war, sich um sie zu kümmern. Schließlich konnte er dieser Pflicht nachkommen und sie trotzdem wie eine Schwester behandeln. Damit würde er seinem Ehrgefühl Genüge tun, seine Bedenken zerstreuen und seine Mutter stolz machen. Er war sich sicher, dass Pippa ihr gefallen würde. Schade, dass die beiden sich nie kennenIernen würden.
Er war überrascht, wie sehr dieser Gedanke ihn beschäftigte.
Montgomery war plötzlich erleichtert, als Phillip mit einer Flasche Wein und einem Sack voll Sachen zurückkam, die sich hoffentlich gut verzehren ließen. Er nahm seinem Knappen die schwere Last ab und schob seine Gedanken an Dinge, die er nie würde haben können, resolut zur Seite. Seine wichtige Aufgabe bestand nun darin, so gut wie möglich für Pippas Wohlbefinden zu sorgen. Er konnte einen oder zwei Nachmittage mit jemandem verbringen, der ihm in einer schwesterlichen, platonischen Weise nahestand. Das würde niemandem schaden, und vielleicht kam sogar etwas Gutes dabei heraus. Möglichweise würde Cinderella begreifen, dass sie ihre jüngere Schwester nicht so schrecklich behandeln durfte. Und Pippa konnte ein wenig Zeit an einem Ort verbringen, an dem sie sich nicht ständig darum sorgen musste, ihre Schwester bei Laune zu halten.
Nein, es würde nichts und niemandem Schaden zufügen. Nicht seiner Burg und nicht seinem Herzen.
Da war er ganz sicher.
12
Pippa fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn und zuckte zusammen, als der Stoff ihr Auge berührte. Es war zwei Tage her, dass Cindi ihr einen Faustschlag verpasst und das beeindruckendste blaue Auge geschlagen hatte, dass sie jemals in der Klinge eines mittelalterlichen Schwerts betrachten konnte.
Diese beiden vergangenen Tage hatten jedoch auch Vorteile mit sich gebracht. Sie hatte die Nachmittage in Montgomerys Privatgemächern verbracht, mit Phillip über Politik diskutiert und immer wieder verstohlene Blicke zu Phillips Onkel hinübergeworfen. Montgomery hatte sich hin und wieder an der Unterhaltung beteiligt, aber meistens hatte er nur zugehört und sich stirnrunzelnd über unzählige Blätter mit Zahlenreihen gebeugt, die sein Verwalter Fitzpiers produzierte wie ein Tintenstrahldrucker im Schnellmodus.
Leider waren diese wunderbaren Nachmittage von den Vormittagen und Abenden überschattet worden, an denen sie beobachten musste, wie es mit Cindis geistiger Gesundheit immer rasanter bergab ging. Pippa hatte ihre Schwester bereits vorher für ein wenig verrückt gehalten, aber sie hatte sich geirrt. An irgendeinem Punkt hatte Cindi komplett den Verstand verloren und glaubte nun tatsächlich, die Königin auf dieser Burg zu sein.
Pippa fragte sich, ob nicht noch etwas anderes dahintersteckte als Jetlag und der feste Glaube ihrer Schwester an ihre eigene Herrlichkeit. Cindi hätte doch eigentlich mittlerweile begreifen müssen, dass sie sich nicht mehr in Tess’ Burg befand. Pippa befürchtete, dass Cindi oben irgendeine verbotene Droge versteckt hatte, aber sie hatte bisher leider nichts finden können. Sie gelangte nur in Montgomerys Schlafzimmer, wenn
sie Cindi Frühstück und Abendessen brachte, und dabei hatte sie keine Möglichkeit gefunden, sich gründlich umzuschauen.
Heute war jedoch alles anders. Cindi hatte beschlossen, einen Spaziergang zu machen, und darauf bestanden, dass Montgomery, Phillip und so viele Männer der Burgbesatzung mitkamen wie nur möglich. Pippa hatte ihnen nachgeschaut und beschlossen, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war, um ein wenig herumzuschnüffeln.
Sie schlich sich in das Zimmer, steckte eine Fackel in einen Wandhalter und machte sich sofort daran, die Sachen ihrer Schwester zu durchwühlen. Sie fand die Dose in Form eines Bären, die ihre Mutter in Seattle unter dem Bett versteckt hatte. Von den Brownies, die sicher noch andere Zutaten als die einer normalen Backmischung enthalten hatten, waren nur noch drei Krümel übrig. Sie schob die Dose an den Platz zurück, wo sie sie gefunden hatte, und setzte ihre Suche fort.
Es dauerte nicht lange, bis sie unter Cindis Kopfkissen ein Plastiktütchen mit zehn Tabletten entdeckte.
Valium.
Pippa nahm die Tüte in die Hand und
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