Meine 500 besten Freunde
gegenüber der Redaktionsleitung zu sichern, wenn sie sich während der Konferenz also vorbeugte und blitzschnell wieder zurück, konnte sie ihre Brüste nachbeben spüren und an den Blicken der Männer, vor allem aber der Frauen im Raum ablesen, dass der Effekt auch sichtbar war. Nur Herr Bartholomé schien es nicht zu bemerken.
Weil sie noch nicht herausgefunden hatte, ob ihm stille oder ehrgeizige Praktikantinnen lieber waren, hatte sie sich lange irgendwo im Mittelfeld aufgehalten. Nun plante sie, ihm ein Thema vorzuschlagen, das nichts mit Kunst zu tun hatte, also nicht unter Herrmanns Betreuung fiel, mit der mutigen Prämisse, ob das nicht unter Umständen ein Aufmacher sei. An einem ansonsten stinklangweiligen Oktobertag klopfte sie an Bartholomés Tür.
»Ja bitte?«
»Herr Bartholomé, darf ich Sie kurz stören?«
»Das tun Sie doch schon.«
»Oh.«
»Jetzt kommen Sie schon hinein. Bin ich so furchterregend, oder was ist los?«
Sie wusste, dass ihm der Ruf vorauseilte, trotz seines oft polternden Tonfalls im Grunde ein gutmütiger Charakter zu sein. Daran hielt sie sich jetzt fest.
»Soll ich die Tür zumachen?«
»Das steht Ihnen vollkommen frei.«
Angie entschied, die Tür offen zu lassen, da war sie wieder, ihre Scheidungskind-Intuition. Unsicher näherte sie sich seinem Schreibtisch. Bartholomé hatte ein kleines, gut geschnittenes Gesicht, das immer verdächtig gebräunt war, seine vollen ergrauten Haare waren so lang, dass er sich oft ordnend mit ddenrdnend er Hand hindurchfuhr, was vor allem geschah, wenn er über sich sprach. Seine frisch gebügelten, weißen Hemden trug er stets ein bis zwei Knöpfe weiter offen, als man es von einem Mann seiner Position erwarten würde, er war sehr groß. Der Typ Mann, dem ein Hermelinmantel stehen würde. An diesem Tag, der kühl war, trug er über seinem Hemd ein braunes Tweed-Jackett.
Als Angie nahe genug an ihn herangekommen war, um sein nach Lavendel duftendes Eau de Cologne wahrnehmen zu können, sah Bartholomé von dem Schriftstück auf, das er gerade las, rollte seinen Bürostuhl ein paar Zentimeter nach hinten und lehnte sich an, wobei die Rückenlehne ergonomisch nach hinten kippte. »Irgendwelche Probleme?«, sagte er und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Beschwerden, Anregungen, Ideen, was kann ich für Sie tun?«
Vor seinem Schreibtisch stand für Besucher ein Stuhl bereit, doch Angie wagte es nicht, sich zu setzen, und von Bartholomé kam keine Aufforderung dazu. Sie selbst trug an diesem Tag ein weißes Hemd zu schwarzen Hosen und flachen schwarzen Schuhen und fühlte sich ein wenig wie in ihrem Lieblingsfilm »Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins«, es fehlte nur der Hut. Auf den BH zu verzichten, hatte sie wieder aufgegeben, da die Nachteile deutlich überwogen hatten.
»Ich habe vielleicht eine Idee für ein Thema …«, sagte sie.
»Ein Thema ist ein Thema«, sagte Bartholomé fröhlich. »Wenn es nur vielleicht ein Thema ist, oder, noch schlechter, vielleicht eine Idee zu einem Thema, dann ist es mit Sicherheit keins.«
»Ich habe vielleicht ein Thema«, sagte Angie. »Nicht vielleicht«, verbesserte sie sich, »ein Thema. Ich habe möglicherweise ein Thema«, sagte sie.
Bartholomé nahm seine Beine hoch und legte sie quer über den Tisch.
»Nicht dran stören«, sagte er, »sind frisch gewaschen.« Seine Schuhe glänzten wie neu.
»Zufällig habe ich erfahren, dass Liza Minnelli heute Abend ein Geheimkonzert in Berlin gibt.«
»Die gute Liza«, seufzte Bartholomé, »lebt sie denn noch?«
»Ich habe von dem Konzert über Twitter erfahren«, sagte Angie.
Wie zu erwarten, war Bartholomé sofort hellwach.
»So, twittern die das.« Sein Stuhl wippte unter der Bewegung, als er die Füße wieder vom Schreibtisch nahm. »Was twittern die denn da so?«
In Wahrheit hatte Angie ganz normal aus der Stadtzeitung von diesem Konzert erfahren, doch sie wusste, wie elektrisierend die digitalen Kommunikationswege immer noch auf Menschen der Generation ihrer Eltern wirkten.
»Die tweeten, dass Liza Minnelli heute Abend in Berlin ein Geheim…«
Bartholomé winkte ab, er hatte auffällig kleine, gepflegte Hände.
»Und dass es eben sehr exklusiv ist. Ich glaube nicht, dass da viele Journalisten sind. Und deshalb …«
»Journalisten sind nicht auf Twitter, meinen Sie?«
»Ich meine, es ist eben irgendwie geheim.«
»Aber Sie wissen davon.« been davo
»Ja.«
»Und nur Sie.«
»Wahrscheinlich nicht, nein.«
»Ich weiß
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