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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
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ihr wohl ein Autogramm geben könne, fragt sie. Zerstreut nimmt Viktor Serviette und Stift entgegen und malt ein paar Striche, die offenbar seinen Namen bedeuten. Er gibt der Frau Serviette und Stift zurück, sieht sie erst jetzt richtig an, bemerkt, dass sie enttäuscht scheint, nimmt beides noch einmal an sich, fragt nach ihrem Namen und widmet seine Unterschrift »Ann-Katrin«, und eine Ausstreichung später, korrekt »Ann-Kathrin«. »Ein i ist immer gut«, sagt er, »da kann man nämlich ein Herz drübermachen«, was er auch tut. Die Frau strahlt nun, bedankt sich und geht ab, die Serviette so vorsichtig vor sich hertragend, als würde sie zerbrechen, wenn sie zu Boden fiele.
    »Passiert Ihnen das oft?«, fragt Johann. Viktor scheint nicht zu verstehen, versteht dann doch, nickt, sagt ja, das komme schon vor, aber was ihn im Moment viel mehr interessiere, sei, und hier lenkt er das Gespräch wieder auf das unterbrochene Thema. »Also, ich will ganz ehrlich sein …« »Ja«, sagt Viktor, obwohl Johann gar keine Pause gelassen hatte. In diesem Moment erscheint die Kellnerin mit dem Olivenöl. Sie stellt es auf den Tisch, sagt »bittesehr« und geht wieder ab.
    »Ja?«, wiederholt Viktor. »Ich glaube, da kommt noch ein ganz schönes Stück Arbeit auf uns zu.« Wieder sagt Viktor ein schnelles Ja, diesmal unsicher, fragend. »Ich bin zum Beispiel mit dem Aufbau nicht hundertprozentig glücklich. Ich glaube, der Anfang müsste gestrafft werden« – was er eigentlich meint, ist: gestrichen –, »damit man schneller in die Handlung springt.« »Aber das Buch hat keine Handlung«, sagt Viktor. »Ganz genau darüber könnte man vielleicht noch einmal nachdenken«, sagt Johann ei sagt J im Tonfall eines Arztes, der einem Patienten mitteilt, dass seine Krankheit leider nicht heilbar ist. »Aber das ist doch die Idee: ein Buch ohne Handlung«, sagt Viktor im Tonfall eines Sterbenden, der noch ein Fünkchen Hoffnung in der alternativen Medizin sieht.
    Johann tunkt endlich ein Stück Brot in Olivenöl, das er auf eine Ecke seines Tellers gegossen und mit etwas von dem grobem Meersalz gewürzt hat, das in einem Schälchen auf dem Tisch steht, und beißt ein großes Stück ab. Viktor sieht ihm schweigend dabei zu.
    »Darf ich Sie fragen, warum Sie das Buch aus Sicht einer neunzigjährigen Frau geschrieben haben?«, fragt Johann, nachdem er fertig gekaut hat.
    »Ich wollte diesmal etwas schreiben, bei dem niemand behaupten kann, es sei autobiographisch«, sagt Viktor, »und als dann meine Großmutter gestorben ist … Ich habe sie im Krankenhaus besucht. Sie hatte natürlich nicht versucht, sich das Leben zu nehmen, das habe ich erfunden, sie hatte einfach Krebs, aber alleine diese Atmosphäre … Wie diese alten Menschen daliegen und alle nur darauf warten, dass sie sterben, damit endlich ihr Bett frei wird … Ich fand das so deprimierend. Und dann habe ich mich da reingedacht. Ich habe mir vorgestellt, wie das sein muss, dazuliegen, nicht mehr laufen zu können, nicht mehr sprechen zu können. Zwangsernährt zu werden. Alt zu sein …« »Verstehe«, unterbricht Johann, wieder mit vollem Mund. Er kaut zuende, bevor er weiterspricht. »Es ist halt wirklich arg weit weg von Ihnen selbst, nein? Ich meine, an manchen Stellen merkt man schon, dass hier einfach ein junger Mensch erzählt.« Viktor hat jetzt wieder den Mund halb geöffnet. »Zum Beispiel?«, fragt er. Auf seinen Wangen sind plötzlich rote Stellen zu sehen. »Hm«, sagt Johann, eben einen neuen Bissen im Mund. Viktor lässt ihn nicht aus den Augen, während er kaut. »Hm, ja, das müsste man sich dann im Text genau ansehen.« »Und sonst?«, sagt Viktor, drängend. »Ja, sonst gibt es einige Kleinigkeiten.« »Zum Beispiel?« Johann tunkt das zweite Stück Brot in Olivenöl. »Zum Beispiel die Zwangsernährung …«, sagt er. »Wird so eine Zwangsernährung nicht intravenös verabreicht?« Viktor sieht ihn fragend an. »Im zweiten Kapitel bekommt Lydia eine Kanüle in den Mund …«, sagt Johann. Viktor scheint auf einmal etwas im Auge zu haben, er zwinkert ein paarmal, fasst sich mit dem Finger ans Lid und schließt kurz die Augen. Als er sie wieder öffnet, glänzen sie feucht. »Aber das ist doch nur ein Detail«, sagt er, »das kann man doch ändern«, seine Stimme ist auf einmal höher, »das kann ich doch noch recherchieren«. Dann steht er sehr plötzlich auf und geht, nein, eilt in Richtung Toilette. Als er die Treppe erreicht, verfällt er in einen

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