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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
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Laufschritt. Johann kann seinen Hinterkopf in Richtung Kellergeschoss abwärts hüpfen sehen wie einen immer kleiner werdenden Ball.
    Johann ist unsicher, hat er etwas falsch gemacht? War er zu ehrlich? Er wird vom Erscheinen der Kellnerin aus seinen Gedanken gerissen, die mit dem Essen kommt. Neidvoll sieht Johann auf das Risotto, das ihm unendlich verlockender erscheint als seine eigene Bestellung. Die Kellnerin fragt ihn, ob er Parmesan möchte und raspelt eine ordentliche Portion über seine Nudeln. Dann wünscht sie einen Guten Appetit und lässt ihn allein.
    Viktors Risotto, das unberührt vor sich hindampft, verbreitet einen nahezu unwiderstehlichen Duft. Safrangelb umgeben die sämigen Reiskörner vier große Garnelen, deren Fühler und Schwanzflossen vor dem Verzehr noch zu entfernen wären. Garniert ist das Ganze mit etwas Grün, vermutlich Koriander. Johann ist versucht, davon zu probieren. Er glaubt, einen fehlenden Bissen dank der breiigen Konsistenz durch anschließendes Glaigkeßendettstreichen der Masse vertuschen zu können. Er blickt sich um, niemand sieht zu ihm herüber. Rasch lässt er seine Gabel in das Risotto gleiten und führt sich eine ordentliche Portion zum Mund. Es schmeckt wie es riecht, köstlich. Er nimmt noch eine zweite, kleinere Portion. Anschließend streicht er die entstandene Mulde glatt und wendet sich seinen Nudeln zu, die ihm im Direktvergleich vorkommen wie Schonkost.
    Als Viktor zurückkommt, wirkt er gefasst. Er wünscht einen Guten Appetit, bevor nun auch er zu essen beginnt, und anschließend kauen beide eine Weile schweigend und hängen ihren eigenen Gedanken nach, wobei die von Johann in erster Linie bei Viktors Risotto sind. »Und, schmeckt es?«, fragt er irgendwann. »Joah, geht so«, sagt Viktor. Wenig später liegen nur noch die Garnelenschwänze und Fühler auf seinem Teller, sogar das garnierende Grün hat er gegessen. Johann weist ihn mit einem Fingerzeig auf ein paar Reiskörner hin, die sich in seinem Schnurrbart verfangen haben, und Viktor streicht sich mit der Serviette über die untere Gesichtshälfte. Daraufhin sind die Reiskörner verschwunden, bis auf eines. »So«, sagt Viktor, »erst noch Kaffee oder gleich zur Sache?« Johann sagt, dass sie gerne sofort zur Sache kommen können und entnimmt der Ledertasche, die er auf den freien Platz neben sich gelegt hat, das Manuskript. Er schiebt seinen Teller zur Seite und legt es vor sich auf den Tisch. »Gratislover in Bratislava« steht auf dem Deckblatt, in mindestens 48 Punkt großen, gefetteten Arial-Buchstaben. Er blättert es auf.
    Bevor er ansetzen kann, etwas zu sagen, wird Johann dadurch unterbrochen, dass ein Mann an ihren Tisch tritt und Viktor mit einem »Hallo« begrüßt, das ironisch klingt. Er trägt eine schwarze Hornbrille, zweifelsfrei ein Journalist. »Wir haben mal ein Interview gemacht, ich weiß nicht, ob du dich erinnerst.« Viktor sieht aus, als erinnere er sich nicht. »Du hast dann deinen Anwalt eingeschaltet«, sagt der Mann. »Ja?«, sagt Viktor, etwas wackelig. »Um es mal ganz direkt zu sagen«, sagt der Mann, der sich jetzt mit beiden Händen auf ihrem Tisch abstützt, »ich halte dich für ein arrogantes kleines Arschloch. Das wollte ich dir immer schon mal sagen. Das war es auch schon. Schönen Tag noch.« Nach diesen Worten dreht sich der Mann um und geht zu einem Tisch nahe der Tür, von dem aus zwei Männer mit demselben Brillenmodell die Szene beobachtet haben. Feixend, wie Johann nicht umhin kann zu bemerken.
    »Huch«, sagt Viktor leise. Er rutscht auf dem Ledersofa nach hinten, sein Kopf scheint plötzlich direkt auf seinen Schultern zu sitzen, von seinem Hals ist kein Stück mehr zu sehen. Überhaupt sieht er mit einem Mal um mindestens zwanzig Zentimeter kleiner aus. »Ach, Sie kennen doch die Journalisten«, versucht Johann ihn zu beschwichtigen. »Ganz offenbar liegt hier eine narzisstische Kränkung vor, Sie sollten sich das nicht zu Herzen nehmen. Ist Ihnen nicht gut?« Bis auf die roten Flecken auf den Wangen, die inzwischen ins Violette spielen, ist alle Farbe aus Viktors Gesicht gewichen, der Schnurrbart sieht auf einmal viel zu dunkel aus und wie angeklebt. »Trinken Sie einen Schluck«, sagt Johann. Viktor greift zu seinem Glas, trinkt einen Schluck, setzt es wieder ab. »Mir ist irgendwie komisch«, sagt er. Dann verbirgt er sein Gesicht kurz in seinen Händen und als er wieder hochsieht, läuft ihm tatsächlich eine Träne die Wange hinunter. »Es tut mir

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