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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
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noch einmal verändert zu sehen. Es zeigte sie mit vor Schreck geweiteten Augen, im Hintergrund das brennende Berlin. Neben ihr stand jetzt Hans, der zuvor neben einer Hakenkreuzfahne im Hintergrund gestanden hatte, nun war er genauso groß wie sie. »Berlin is burning« hieß der Film jetzt. (Der ursprüngliche Titel war »Ruth Morgenstern – eine deutsche Geschichte« gewesen). Lucy ließ sich überraschend protestlos von Nicole auf den Arm nehmen, die Anna auch Windeln und Fläschchen abnahm. Die andere, Nina, begleitete sie in das Zimmer nebenan. Seufzend ließ Anna sich auf das geblümte Sofa fallen, auf dem sie voraussichtlich den ganzen Tag verbringen würde. Die blonde Pressefrau schenkte ihr ein Glas Wasser ein. Diverse andere Getränke, darunter Thermoskannen mit Kaffee sowie frisches Obst und ein Sortiment von Schokoladenriegeln standen auf einem niedrigen Glastisch bereit. Auf einer Anrichte an der Wand gab es einen Wasserkocher für Tee, daneben eine Auswahl an Beuteln, die auf einem Teller aufgefächert war. Die Pressefrau, die Anna ganz selbstverständlich duzte, sah sich zufrieden um. »Alles okay?«, fragte sie. Anna nickte, obwohl sie Bauchweh hatte, ein Ziehen in der Unterleibsgegend, vermutlich Dehnungsschmerz.
    Fünf Minuten vor dem ersten Interviewtermin ging Annas Mutter endlich ans Telefon. Sie habe einen wichtigen Friseur-Termin, den sie unmöglich s C unen o kurzfristig absagen könne, aber ab 12 Uhr habe sie Zeit, 12 Uhr 30 vielleicht. Auch auf mehrmaliges Bitten wich sie von diesem Vorhaben nicht ab. »Es ist verdammt schwer, in diesem Salon einen Termin zu bekommen«, erklärte sie. Dass es ihr leidtäte, sagte sie nicht. Anna drückte sie weg, ohne sich zu verabschieden.
    Als es klopfte, setzte sie sich aufrecht und sah mit dem Blick, den sie sonst eigentlich nur für Fotos reservierte – während eines melancholischen Lächelns beinahe unmerklich die Backen einsaugend –, in Richtung Tür. Es war aber nur ihr Kollege A., der Hans gespielt hatte und ihr Guten Morgen wünschen wollte sowie einen »erfolgreichen Interviewtag«. Er schien noch etwas sagen zu wollen, stand einen Moment unentschlossen in der Tür, die er schließlich leise hinter sich zuzog. »Darf man schon gratulieren?«, fragte er unsicher und kam ein paar Schritte auf sie zu. Sie nickte, und sein Gesicht hellte sich auf. Die letzten Meter bis zu ihr absolvierte er mit schnelleren Schritten, die Umarmung fiel linkisch, aber herzlich aus. Um ein Haar wären ihr Tränen in die Augen geschossen, was sie den Hormonen zuschrieb, doch hinter fest zugedrückten Lidern ließen sie sich zurückdrängen, und genau in dem Augenblick, in dem ihr A.’s Berührung zu lang zu werden begann, klopfte es wieder an der Tür.
    A. ließ von ihr ab und sah sie gerührt an. »Na dann«, sagte er. Sie strich sich ihr T-Shirt glatt. »Hey«, sagte A. und ballte die Faust – »mach sie fertig!« Das Gesicht, das er dazu aufsetzte, war dasselbe wie auf dem Filmplakat. Anna winkte ihm hinterher, bis er sich nicht mehr nach ihr umdrehte. Durch die offene Tür trat Nina in Begleitung eines unsicher wirkenden Mannes ein, den sie mit Nennung seines Namens und der Zeitung, für die er arbeitete, vorstellte, doch Anna hörte nicht richtig hin. Sie hätte Nina gerne gefragt, ob im Nebenzimmer mit Lucy alles okay war, doch der junge Mann hatte sich bereits auf den Sessel neben ihr gesetzt, also versuchte sie, allein durch einen Blick die Frage zu stellen. Nina sah sie an, als verstehe sie nicht – dann nickte sie. »Mit Sprudel?«, fragte sie und trat zum Tisch, wo die Getränke standen. »Danke nein, ich hab schon«, sagte Anna. »Und was möchten Sie?«, fragte Nina den Journalisten. Nachdem sie ihm die gewünschte Cola Zero gereicht hatte, verließ sie den Raum und ließ Anna mit dem Journalisten allein.
    »Ich fange einfach gleich an«, sagte er, nachdem er sein Aufnahmegerät eingeschaltet und das Mikrophon zu Anna zeigend auf den Couchtisch gelegt hatte. Das Sprudeln in seinem Glas war deutlich zu hören.
    »Gerne«, sagte sie, ihrem Gegenüber direkt in die Augen sehend, wobei sie versuchte, an Sex zu denken, ein Trick, den sie anwandte, wenn sie fotografiert wurde, der ihr an diesem Vormittag jedoch nur mäßig gelang. Das Ziehen in ihrem Unterleib war erneut stärker geworden und sie verspürte den Drang, auf die Toilette zu gehen.
    »Zuerst mal, also ich fand das einen beeindruckenden Film. Und Ihre Darstellung war richtig mutig, fand

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