Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
Vom Netzwerk:
Telefon aus.
    »Entschuldigung. Wo waren wir?«
    Der Journalist starrte auf seine Notizen und schien es auch nicht mehr zu wissen.
    »Ja, ich wollte wissen«, sagte er, »wie … Ähm, genau, wie man sich in so jemand reinversetzt, also in jemand, der einem nicht unbedingt …«
    Von nebenan war ein lautes Krachen und Poltern zu hören. Nach einer Sekunde, in der alarmierende Stille herrschte, fing Lucy wieder zu weinen an. Diesmal klang es gellend. Erschrocken. Anna hielt es nicht mehr auf ihrem Sitz.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie, schon im Laufen.
    Im Nebenzimmer empfing sie folgendes Bild. Nina hatte eine vollkommen aufgelöste Lucy auf dem Arm, die durch allerlei Windungen ihres kleinen Körpers versuchte, sich ihren streichelnden Zugriffen zu entziehen. Auf dem Parkettboden lag das weiße Tischtuch, das eine Spur der Verwüstung hinter sich hergezogen hatte. Tassen waren zu Bruch gegangen, eine Thermoskanne umgefallen, dazwischen Kekse, Teebeutel, Colaflaschen (noch ganz), Milchkännchen (noch ganz). Die andere Pressefrau, an deren Namen sich Anna nicht mehr erinnerte, sammelte im Knien Scherben ein. Sie stand auf, als sie Anna sah. Die würdigte sie jedoch keines Blickes, sondern lief, stürzte auf Nina zu, der sie ihre Tochter entriss.
    »Was ist denn passiert«, rief Anna – und dann leiser, zu Lucy. »Was ist denn passiert, hm, was ist denn hier passiert, hm?«
    »Sie hat …«, setzte die andere Pressefrau an, doch Nina fiel ihr ins Wort. »Sie hat das Tischtuch zu fassen gekriegt, meine Schuld. Aber wir haben hier alles im Griff.«
    »Du kleine süße Maus, hm, Mama ist ja da, Lucyschatz, alles ist gut, es ist ja gar nichts passiert. Wie, sie hat das Tischtuch zu fassen gekriegt?«
    »Es tut mir total leid, ich weiß auch nicht, wie das …«
    »Was soll ich machen, sie mit ins Interview nehmen?« Annas Stimme war jetzt sehr laut. »Das wird doch wohl möglich sein, zwei Stunden auf meine Tochter aufzupassen, ohne dass irgendetwas passiert!«
    »Aber es ist ja nichts …«
    »Hier sind überall Scherben.«
    »Aber ich hatte sie die ganze Zeit auf dem Arm.«
    Zwei Frauen, die Schürzen trugen, kamen ins Zimmer und begannen unverzüglich und ohne die Miene zu verziehen mit dem Aufräumen.
    Erst jetzt bemerkte Anna, dass auf einem Sessel auf der anderen Seite der Tür eine junge Frau saß. Sie hielt das Presseheft zum Film in den Händen.
    »Das ist Frau Ritter vom Feuilleton der …« Sie nannte eine große überregionale Ze Crregn=itung. »Sie macht das nächste Interview«, sagte Nina in einem um Deeskalation bemühten Tonfall.
    Die Frau lächelte scheu. »Hallo.«
    »Wir haben hier alles im Griff«, sagte Nina, immer noch in diesem beruhigenden Ton.
    »Ja, das sieht mir aber nicht so aus«, sagte Anna. Nina ging zu ihr und nahm ihr Lucy ab, die im Moment vor allem müde schien.
    Anna stand einen Moment unschlüssig herum.
    »Wirklich, mach du mal in aller Ruhe dein Interview zu Ende«, sagte Nina.
    Anna sah zu Lucy. Die rieb sich die Augen.
    »Wo ist denn hier eine Toilette?«
    »Warte, ich zeig sie dir«, sagte die andere Pressefrau und ging zur Tür. Anna folgte ihr.
    »Und ich glaube, Lucy müsste dringend mal gewickelt werden.«
    »Machen wir. Schau, da hinten den Gang entlang, durch die Glastür und dann gleich rechts, da sind die Toiletten.« Auch sie sprach beruhigend wie eine Krankenschwester.
    »Ich glaube, das müsste man gleich …«
    »Keine Sorge, wir machen das.«
    »Und vielleicht kann sie sich irgendwo hinlegen?«
    »Na klar, kein Thema, wir kümmern uns.«
    Anna ging in die angezeigte Richtung. Der wartende Journalist fiel ihr ein, sie beschleunigte ihre Schritte.
    In der Damentoilette roch es nach teurem Raumspray, vom Band kam leise Klaviermusik. Sie ging in die erste Kabine und verriegelte die Tür. Als sie sich die Jeans ganz aufknöpfte, fühlte sie auf einmal Nässe zwischen ihren Beinen. Vorsichtig zog sie die Unterhose herunter und sah mit Entsetzen den großen roten Fleck, der sich bis zu den Rändern ausgebreitet hatte. Sogar auf der Innenseite der Jeans war Blut.
    Sie kam erst wieder aus der Kabine, nachdem Nina von außen mehrfach an die Tür geklopft und ihren Namen gerufen hatte. Als Nina sie sah, wich sie einen Schritt zurück. »Mein Gott«, sagte sie, »ist alles okay?«
    Anna hatte sich einen riesigen Batzen Toilettenpapier in die Unterhose geschoben, da die Blutung nach wie vor stark war. Ohne zu antworten, ging sie zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn

Weitere Kostenlose Bücher