Meine 500 besten Freunde
…«
»Wie, das verstehe ich jetzt nicht …«
»Als hätten Sie irgendein vorgefertigtes Bild von mir im Kopf, das Sie jetzt bestätigt sehen wollen. Ach, egal, fragen Sie weiter. Ich sag Bescheid, wenn’s mir wieder auffällt.«
Auf dem Gesicht des Journalisten zeigten sich rote Flecken. Erst jetzt fiel Anna auf, dass er eine Brille trug.
»Sie sind Mutter einer zweijährigen Tochter«, sagte der Journalist. Sein kleiner Kopf harmonierte hervorragend mit seinem kleinkarierten Hemd, fand Anna.
»Ja?«, sagte sie.
»Ihr Lebensgefährte ist ein erfolgreicher Architekt. Ich wollte mal wissen, wie Sie das unter einen Hut kriegen, Beruf und Familie. Ich habe übrigens selbst einen kleinen Sohn.« Es kam Anna so vor, als würde er peinlich genau darauf achten, dass sie nicht lesen konnte, was auf seinem Block stand. Sie schob sich das Kissen im Rücken zurecht und lehnte sich zurück. Die neue Pose sollte entspannt wirken, offen.
»Dann wissen Sie das ja selbst, es ist alles eine Frage der Organisation.«
»Hm-hm, hm-hm«, machte er. Er schien darauf zu warten, dass noch etwas kam, doch sie schwieg.
»Sie waren ja nach der Geburt gleich wieder so dünn …«
»Danke.«
»Haben Sie Hilfe, Au-Pair-Mädchen oder so?«
»Nein. Ich finde, wenn man ein Kind hat, dann sollte man es auch selbst großziehen.«
»Wie machen Sie das bei Dreharbeiten? Kommt Ihre Tochter – Lucy, kommt Lucy dann mit ans Set?«
Anna setzte sich wieder gerade hin und schlug ein Bein über das andere. »Das ist sehr nett, dass Sie sich da Sorgen zu machen scheinen, aber ich kann Ihnen versichern, für meine Tochter ist bestens gesorgt.«
Aus dem Neb C">AIhneenzimmer war plötzlich Kinderweinen zu hören.
Der Journalist hob fragend einen Zeigefinger.
»Wissen Sie was«, sagte Anna, »ich weiß das zu schätzen, dass Sie sich so für mein Privat- und Familienleben zu interessieren scheinen, aber ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn wir über den Film sprechen könnten.«
Das Weinen im Nebenzimmer hörte auf, allerdings so abrupt, dass Anna davon ausging, dass es sich nur um Bestechung handeln konnte. Der Journalist blätterte in seinem Block eine Seite weiter, und Anna sah mit Schrecken, dass auch die nächste Seite von oben bis unten dicht beschrieben war.
»In ›Berlin is burning‹ spielen Sie die Geliebte eines SS -Offiziers …« Im Nebenzimmer begann Lucy wieder zu weinen, diesmal klang es, als hätte sie sich wehgetan.
»Ja«, sagte sie, den Impuls aufzuspringen nur mit Mühe unterdrückend.
»War das schwer sich da reinzuversetzen, ich meine, wie, glauben Sie, hätten Sie in der damaligen Zeit gehandelt?«
»Was haben Sie gerade gefragt?«
Der Journalist sah auf seinen Block.
Im Nebenzimmer Sirenengeheul.
»Sie haben gefragt, wie ich damals gehandelt hätte. Wäre ich Jüdin gewesen, meinen Sie?«
»Ja, oder ganz allgemein.«
»Das wäre doch aber ein immenser Unterschied. Wäre ich Jüdin gewesen, hätte ich mich dann auch als Nazi ausgegeben, ist das die Frage?«
»Zum Beispiel.«
»Was ist denn jetzt genau die Frage. Sie müssten die bitte schon präzisieren.«
Das Weinen im Nebenzimmer beruhigte sich.
»Äh. Ja. Können Sie sich vorstellen, dass Sie sich in einen Nazi verliebt hätten?«
Diesmal war das Ziehen in Annas Unterleib so heftig, dass sie das Gesicht verzog.
Der Journalist sah sie überrascht an.
»Wo waren wir? Ob ich ein Nazi gewesen wäre. Ach nein, ob ich mich in einen Nazi …«
»Ich formuliere die Frage mal anders …«
»Gern.«
»Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?«
Als der Schmerz abgeebbt war, war es, als sei er nie da gewesen.
»Ja, also …«
Sie wischte sich die Schweißperlen von der Oberlippe.
» … man kann ja immer nur von sich selbst ausgehen …«
»Ja?«
»Ich meine, natürlich haben auch Frauen, die in SS -Männer verliebt waren, oder die selbst mit dem Nationalsozialismus sympathisiert haben, Gefühle gehabt wie jeder andere Mensch auch. Ich glaube, es wäre to C, ebsttal falsch, die zu irgendwelchen Unholden zu …« In diesem Moment begann Annas Handy zu vibrieren. Es lag vor ihr auf dem Glastisch und machte einen ziemlichen Lärm. »Entschuldigung, da muss ich kurz … Hallo?«
Es war ihre Mutter, die vom Friseur aus anrief, um mitzuteilen, dass sie leider an diesem Tag überhaupt nicht könne, da sie ja ganz vergessen hätte, dass … Im Hintergrund war das laute Brausen mindestens eines Föns zu hören. Anna drückte sie weg und schaltete das
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