Meine 500 besten Freunde
ich.«
»Mutig.«
»Ja, fand ich.«
»Warum mutig?«
»Naja, es ist ja heutzutage schon eher selten, dass man eine Schauspielerin vollkommen ungeschminkt auf der Leinwand sieht.«
»In meinem hohen Alter, meinen Sie.« Sie lachte.
»Nein, das meine ich nicht, ich meine … Sie sind ja … Wie alt sind Sie noch mal … C no>
»38.«
»Ja, das ist natürlich nicht alt, das will ich gar nicht … aber … Also, ich fand, in manchen Einstellungen wirkten Sie ziemlich… hart.«
»Okay. Also, zunächst einmal, aber das können Sie natürlich nicht wissen, ist man vor der Kamera nie vollkommen ungeschminkt. Und dann – wie glauben Sie, sieht jemand, der etwa in meinem Alter ist, im Krieg aus? Hübsch manikürt und mit perfekt aufgelegtem Rouge? Wenn Bomben fallen und die Welt, in der man lebt, untergeht?«
Sie hatte sich ja bemüht, freundlich zu klingen, aber ihr fiel selbst auf, dass es ihr nicht hundertprozentig perfekt gelungen war.
»Okay, Entschuldigung, das war vielleicht nicht die perfekte Einstiegsfrage. Ich wollte ja auch eigentlich anders anfangen … Wo habe ich es denn … Moment …« Er blätterte in seinem Block nach hinten und wieder nach vorn. »Hier. ›Berlin is burning‹ ist der erste Film, den Sie seit zwei Jahren gedreht haben.«
»Entschuldigung, aber da muss ich Sie korrigieren. Ich habe dieses Jahr zwei Filme gedreht, die kommen allerdings erst nächstes Jahr ins Kino. Frühestens.«
»Gut, aber davor war eine längere Pause.«
»Dadurch bedingt, dass ich ein Kind gekriegt habe, ja.« Ihr Ton war relativ eisig gewesen, weswegen sie ein versöhnliches Lächeln hinterherschickte.
»Ja, dazu komme ich später. Was ich fragen wollte, ist – wie suchen Sie Ihre Projekte aus?«
Immer wenn er eine Frage gestellt hatte, runzelte er die Stirn und machte etwas mit seiner Nase, das Anna irritierte.
Sie erklärte ihm, dass das immer verschieden sei, mal reize einen das Drehbuch, mal interessiere einen der Regisseur, woraufhin der Journalist wissen wollte, wie es in diesem Fall gewesen sei. Anna versuchte, diplomatisch zu sein und lobte nicht nur den Regisseur, sondern hob auch hervor, dass er das Drehbuch selbst geschrieben habe und dass ein Debütfilm natürlich immer etwas ganz Besonderes sei. Die Worte Leidenschaft und Herzblut fielen sowie das mehrere Deutungen zulassende Adjektiv »roh«.
Als Nächstes wollte der Journalist wissen, wie es eigentlich sei, wenn ein Regisseur, der gerade erst anfängt, auf einen gestandenen Filmstar treffe wie sie.
Mit der Bezeichnung Filmstar fühlte Anna sich unwohl, und das sagte sie auch, doch der Journalist insistierte, woraufhin sie den Vergleich mit Frankreich bemühte, um ihm den Unterschied zu den hiesigen Verhältnissen zu erklären. Sie war selbst überrascht, dass der Journalist sich mit ihren Blabla-Antworten zufriedengab.
Er sah wieder auf seinen Block. »Ihr Kollege, der die männliche Hauptrolle spielt« – er nannte A.’s vollen Namen –, »ist für seine Darstellung des SS-Manns Hans ja für einen Filmpreis nominiert. Fanden Sie nicht, Sie hätten auch eine Nominierung verdient?«
Anna lachte. Ein glockenklares, ansteigendes und in der Höhe charmant verklingendes Filmstarlachen. Sie war sehr zufrieden damit. Dann sagte sie, dass das natürlich andere entscheiden müssten, dass sie sich aber für A. natürlich mitfreue und ihm für die Verleihung alle Daumen drücke. Sie sehe das auch als Ensemble-Leistung, fügte sie C, f nahinzu. »Wenn einer ausgezeichnet wird, muss ja das Drumherum irgendwie gestimmt haben, nicht?«
»Ja, aber Ihr Beruf ist doch ziemlich …« Der Journalist suchte nach einem Wort. »Da herrscht doch schon ein großer Konkurrenzdruck, oder?«
»Ich sehe A. nicht wirklich als Konkurrenten.« Wieder lachte sie, diesmal mehr ins Belustigte spielend, auch kürzer. »Wir konkurrieren ja nie um dieselben Rollen. Es hätte mich zumindest gewundert, wenn ich zu einem Casting für den SS-Mann Hans eingeladen worden wäre.«
Der Journalist schien nichts daran lustig zu finden.
»Werden Sie denn zu Castings eingeladen oder bewerben Sie sich?«
Anna fühlte sich mit einem Mal schrecklich müde. Ihr Gegenüber wurde ihr von Frage zu Frage unsympathischer, wenn das bei diesem Einstieg überhaupt möglich war, und langsam verlor sie die Lust, sich das nicht anmerken zu merken.
»Hören Sie mal, worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Wieso, ich …«
»Ihre Fragen haben alle so einen seltsamen Unterton
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