Meine beste Feindin
anzuziehen, und eine ganz andere, es dann auch wirklich zu tun . Das Blaubeerkleid - das wurde mir jetzt klar - war eine Metapher. Es wurde Zeit, das Blaubeerkleid auszurangieren.
Vorfall Nummer drei: Nate. Nach diesem merkwürdig vertrauten Moment auf der Party und seiner wiederholten Beteuerung, dass man auf mich zählen konnte , war ich völlig durcheinander und noch viel verletzter als vorher.
Vorfall Nummer vier: Henry. Oder besser gesagt: So langsam versetzte mich die Tatsache, dass Nate und Henry Mitbewohner waren, in Panik. Tja, jetzt war es zu spät. Henry konnte jeden Augenblick beschließen, mit Nate reinen Tisch zu machen. Vielleicht war er in diesem Moment schon dabei. Und dennoch, jedes Mal, wenn wir uns trafen, schien mein Gehirn plötzlich auf Urlaub zu sein, mein loses Mundwerk übernahm, und ehe ich es mich versah, tauschte ich schon wieder Gemeinheiten mit ihm aus. Gute Vorsätze waren nicht gerade meine Stärke.
Ich zog meinen dicken Mantel fester um mich und behielt Linus halbwegs im Auge. Als er zu einem begeisterten Sprint auf einige Spaziergänger in der Ferne ansetzte, rief ich ihn zurück und warf ihm einen strengen Blick zu. In meinen Kopf klang noch immer Henrys Drohung nach, und das passte mir überhaupt nicht.
Mit Henry war das nämlich so: Ich hatte mit ihm geschlafen.
Mit Georgias großem Schwarm. Mit Bostons männlicher Oberschlampe. Mit dem Mitbewohner des Typen, den ich nur Minuten zuvor mit einer anderen erwischt hatte. Ich verstand immer noch nicht genau, wie das passieren konnte. Es war ein Ausrutscher gewesen, und es war mir so peinlich, und er hatte sich wie ein Arschloch benommen.
Na ja, das hatte er auch vorher schon. Es war ja sozusagen sein Markenzeichen.
Also, in dieser Nacht war Folgendes gelaufen:
Nate hatte mich angerufen und gesagt, dass er sich nicht wohl fühlte und nicht bei mir vorbeikommen würde, wie eigentlich geplant. Wie eigentlich geplant hieß in diesem Fall, wie er schließlich versprach, nachdem ich ihn in einer mehr als erniedrigenden Unterhaltung quasi auf Knien darum angefleht hatte, was niemals ans Licht kommen durfte, da meine Freundinnen mich sonst enterben würden . Und dann hatte ich mich sozusagen als menschliches Pendant zur Hühnerbrühe auf den Weg gemacht, um ihn zu pflegen. Und falls er nicht wirklich krank sein sollte - was ich irgendwie schon vermutete, aber nicht wahr haben wollte -, na ja, dann würden wir eben reden.
Ich muss also zugeben, dass ich wohl doch etwas ahnte.
Das ist in solchen Situationen wohl so, und als ich vor Nates Haustür stand, da hatte ich plötzlich ein ganz merkwürdiges Gefühl bei der ganzen Sache. Ich hatte noch nicht geklingelt. Ich hätte wieder nach Hause fahren und abwarten können, bis die Dinge von allein ihren Lauf nahmen. Ich musste die Sache nicht forcieren, indem ich plötzlich dort auftauchte. Ich musste mir doch nichts beweisen. Nate war mein fester Freund. Das hatte er selbst im Beisein anderer vor ein paar Wochen so formuliert (sofern Henry als »andere« durchging). Ich hatte keinen Grund, mir Sorgen zu machen - abgesehen davon, dass ich bereits besorgt genug war, um mich zu ihm auf den Weg zu machen, nur um mich davon zu überzeugen, dass es keinen Grund zur Sorge gab.
Ich klingelte, und Henry öffnete die Tür. Er lehnte in seiner typisch lässigen Art im Türrahmen und lächelte mich an. Ich erinnere mich an ein fieses Feixen, aber das habe ich vermutlich im Nachhinein dazugedichtet.
An dem Abend kratzte er sich am Bauch, wie Männer das eben so machen, sein T-Shirt rutschte hoch, und ich konnte sein Sixpack bewundern. Es war unmöglich, das zu ignorieren, also schaute ich eben hin, auch wenn ich an Henry bis zu diesem Zeitpunkt absolut keinen Gedanken verschwendet hatte. Er war scharf, das stimmte zwar, aber er war Georgias Domäne. Und damit hatte sich das erledigt. Henry sagte »Hallo« und dass Nate in der Küche sei.
Dann stand er eine geschlagene Minute schweigend da und sah mich an.
»Was denn?«, fragte ich. Völlig arglos.
»Ach, nichts«, antwortete er und trat endlich beiseite, so dass ich in seine Küche spazieren und dort meinen Freund und Helen knutschend im Glanz der Kupferpfannen vorfinden konnte.
Es war wirklich übel.
Niemand hatte mir je erzählt, wie grundlegend sich eine solche Szene in der Realität von denen im Fernsehen oder Kino unterscheidet. Zum einen, weil die Musik fehlt. Das mag ja nebensächlich erscheinen, ist es aber nicht. Ohne Musik stehst du
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