Meine beste Feindin
schaute mich blinzelnd an: »Ihn als was in Erwägung ziehen?«
»Als deinen nächsten Freund«, sagte ich vielleicht etwas zu schrill.
Wieder herrschte Schweigen.
»Ich hab’s mir nochmal überlegt«, sagte Georgia, schüttelte ihre Mähne und bändigte sie zu einem Knoten im Nacken. »Ich glaube, eigentlich habe ich eher von dir die Schnauze voll, Gus. Und von Chris Starling. Dem schleimigen Chris Starling.«
»Er ist überhaupt nicht schleimig!«, empörte ich mich seinetwegen. »Er ist wirklich süß!«
»Was habe ich gesagt?«, bemerkte Georgia in Amy Lees Richtung. »Sie ist absolut besessen von Chris Starling.«
»Schmierig«, sagte Amy Lee, »aber mit Sicherheit eine Verbesserung im Vergleich zu Nate Manning.«
»Merk dir das, Georgia!«, verkündete ich dramatisch, ohne auf Amy Lee einzugehen. »Du wirst diesen Kerl noch heiraten. Er ist …«
An dieser Stelle musste ich abbrechen, weil sie versuchte, mich mit einem Kissen zu ersticken.
Am nächsten Morgen wachte ich schon wieder viel zu früh auf, dieses Mal war allerdings Stress der Grund. Oder eine Ahnung des bevorstehenden Schicksalsschlags. Oder vielleicht beides - auf jeden Fall war ich hellwach und wünschte insgeheim, Georgias Versuch, mich zu ersticken, hätte Erfolg gehabt.
Um 14.00 Uhr erwartete man uns zu einer Winterwonne-Feier. Der frenetische Rhythmus der vorweihnachtlichen Verpflichtungen durfte ja auf keinen Fall unterbrochen werden. Und das war wegen einer ganzen Reihe von Gründen stressig. Zum einen würde ich dort Henry begegnen, und ich war in Sorge, dass Georgia meinen zweiten, nicht betrunkenen und daher noch weitaus schlimmeren Verrat an ihr in der frischen Winterluft erschnuppern konnte. Zum anderen freute ich mich nach dem Telefonat natürlich nicht gerade darauf, ihm gegenüberzutreten. Darüber hinaus würde Helen auch da sein, zweifellos dafür gewappnet, mir ihre noch immer anhaltende Beziehung mit Nate unter die Nase zu reiben. Von der »Nacht der sieben Nachrichten« wusste sie schließlich nichts.
Und dann war da noch der letzte Knackpunkt: Was genau war eigentlich eine Winterwonne-Feier? Keiner wusste es. In der Einladung war von Mähnen und Glöckchen die Rede, woraufhin man allgemein annahm, dass es etwas mit Pferden und Kutschen zu tun hatte. Treffpunkt war ein Schickimicki-Vorort weit draußen vor der Stadt, man musste sich also wirklich auf alles gefasst machen. Auf so etwas lief es eben hinaus, wenn die Freunde versuchten, die Vorweihnachtszeit möglichst originell zu gestalten, und es mit ein paar Gläsern Punsch unter dem Mistelzweig nicht getan war. Die drei Organisatorinnen hatten im Vorjahr das Gefühl gehabt, von einer anderen Weihnachtsfeier ausgestochen worden zu sein, und um nicht zwei Jahre in Folge den Schwarzen Peter zu ziehen, hatten sie der Freundin einer ihrer Mütter für diesen Tag ihr Haus und wer weiß was sonst noch alles abgeschwatzt.
Aber ich machte mir nichts vor. Die Hauptursache für meinen Stress hieß Nate Manning, und ich hatte keine Ahnung, wie ich dieses Thema angehen sollte. Mein Herz machte einen Satz, wenn ich nur an ihn dachte, was ich als Vorfreude interpretierte. Ich freute mich darauf, ihn zu sehen, und ich wusste, dass diese Gefühle mir nur Ärger einbringen würden. Seit er auf der Party in Winchester so grob zu mir gewesen war, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Ich hatte auch nichts mehr von ihm gehört, wenn man mal von den immer wieder abgespielten Nachrichten auf der Mailbox absah.
Irgendwie musste ich diese Sache mit Nate heute klären, Mähnen und Glöckchen hin oder her.
Im Laufe des Morgens versuchte ich, nicht allzu viel darüber nachzudenken, es gab andere Fragen, die zu klären waren. Zum Beispiel, was man zu einer Party im Freien anzog. In Boston. Im Dezember. Zwiebellook, so viel war klar. Aber wie viele Lagen konnte ich mir erlauben, und woraus sollten sie bestehen, damit ich weder wie das Michelinmännchen aussah noch mit Erfrierungen zurückkam? Ich hüllte mich in so einige wärmende Schichten und rollte zur U-Bahn. Amy Lee und Oscar hatten sich wieder einmal angeboten, uns zu diesem neuen Vorort-Vergnügen zu fahren. Zum Glück war Neujahr nicht mehr weit - ich war nicht sicher, wie viel von dieser erzwungenen Festtagsfreude ich auf Dauer noch ertragen konnte.
Vor allem, wenn meine Freunde davon ausgingen, dass ich eine psychopathische Exfreund-Stalkerin war.
Ich starrte in den trügerisch blauen, sonnigen Winterhimmel, während der Wagen
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