Meine beste Feindin
entfernt an. Ich schob ihn beiseite und ignorierte das Freudentänzchen, das er hinlegte, weil ich endlich wach war.
»Nein«, sagte ich. »Mach Platz.«
Er beachtete meinen Befehl nicht, packte eines seiner Spielzeuge mit den Zähnen und schüttelte es vor mir fest entschlossen hin und her. Selbst mein Hund erkannte meine Autorität nicht an. Sogar er vermutete, dass ich in puncto Erwachsensein nicht besonders gut dastand.
Ich setzte mich auf und beäugte mein Wohnzimmer finster.
Mir wurde klar, dass ich in meinem Leben etwas ändern musste. Es war wie in diesem Rilke-Gedicht, das ich mir im College an die Wand gehängt hatte: »… denn da ist keine Stelle, / die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern «.
Da klingelte wieder das Telefon, und ich stöhnte, um dann hastig einen Blick auf das Display zu werfen. Aber es war nicht Helen, die zur nächsten Runde ansetzte. Es war noch nicht einmal Nate, was ich eigentlich erwartet hatte.
Es war Georgia.
»Oh«, sagte ich in den Hörer, ohne mich mit Formalitäten aufzuhalten, »ist reden am Telefon erlaubt? Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass du nicht mit mir sprichst.«
»Ach, das tut mir aber leid«, gab Georgia in demselben Tonfall zurück. »Lass mich eben meinen AB checken und all deine Nachrichten abhören. Oh, Moment, da ist keine einzige.«
»Wer hat denn bitteschön dramatisch die Hand gehoben und ›Ich kann nicht‹ gestöhnt? Ein bisschen wie in einer billigen Talkshow«, sagte ich.
»Ich meinte, dass ich in dem Augenblick nicht darüber reden konnte«, seufzte Georgia.
»Inzwischen kann ich ja hellsehen«, höhnte ich, »aber letzte Woche lief das noch nicht so. Sorry, dass ich es nicht geschnallt habe.«
Georgia seufzte wieder, diesmal noch eindringlicher.
»Willst du nun mit mir frühstücken oder nicht?«, fragte sie schließlich. »Wenn nicht, ist es auch okay. Wir können einfach weiter am Telefon pampig sein. Da können wir auch gleich über Henry sprechen. Also?«
Ich seufzte sogar noch lauter als sie.
»Gut«, sagte ich. »Gib mir eine Dreiviertelstunde.«
Wir trafen uns in einem Café in der Nähe ihrer Wohnung. Georgia saß an einem Ecktisch und umfasste den riesigen Kaffeebecher mit beiden Händen. Ihre normalerweise dramatisch ausufernden Haare hatte sie in einen strengen Pferdeschwanz gezwungen, aus dem sie sich jeden Moment zu befreien schienen. Ich hielt das für kein gutes Zeichen.
»Mann, ist das kalt«, sagte ich zur Begrüßung. Ich hoffte, sie damit abzulenken. Dann begann ich, mich aus unzähligen Lagen warmer Winterklamotten herauszuschälen. Ich hängte den Extra-Pulli, Schal, Mütze und Handschuhe an die Stuhllehne und setzte mich. »Ich verstehe einfach nicht, warum ich hier wohne, wenn es doch Orte ohne Schnee, Eisregen und Glättegefahr gibt, ganz zu schweigen von Winternächten, die um zwei Uhr mittags einsetzen.«
»Weil keiner von diesen Orten Boston ist«, sagte Georgia und zuckte mit den Achseln.
Ich nickte zustimmend und bestellte beim Kellner eine dieser riesigen Latte. Wir schwiegen, bis ich mein Getränk bekam. Dann rührte ich fünf Päckchen Süßstoff in den Kaffee, wofür Georgia mich mit einem Kopfschütteln bedachte.
»Was?«, fragte ich.
»Wie kriegst du nur so etwas Süßes runter?«, stöhnte sie. »Bah. Ich glaube, da würde bei mir der Würgereiz einsetzen.« Sie fasste sich an den Hals. »Ich glaube, das tut er bereits.«
»Und ich kann diese Ich-trinke-nur-schwarzen-Kaffee-Geschichte nicht nachvollziehen«, entgegnete ich und blickte in ihren Becher. »Wer so was sagt, konsumiert bestimmt auch nur anspruchsvolle, verworrene Literatur, weil er denkt, dass ihn das intelligenter macht. Wobei er eigentlich nur ein langweiliges Buch liest. Mit dem Kaffee ist es doch das Gleiche. Warum soll ich ihn mir schwarz und bitter reinzwingen, wenn er genauso lecker wie ein Nachtisch schmecken kann?«
»Vielleicht mag ich den Geschmack ohne Sahne und ein Pfund Zucker eben deshalb, weil er dann nach Kaffee schmeckt, nicht nach Kaffee-Eis .« Sie zog ihre anwältlichen Brauen hoch.
»Vielleicht«, sagte ich und brachte meinerseits die Bibliothekarinnen-Brauen zum Einsatz. »Aber das ist einfach dein Geschmack . Das macht dich doch nicht besser . Ich kann Leute nicht ausstehen, die aufgrund persönlicher Präferenzen ein moralisches Urteil fällen.«
Georgia dachte einen Moment darüber nach. »Ich glaube, genau das machst du aber mit Henry«, sagte sie schließlich. »Und darüber werden
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