Meine beste Feindin
genauso ging. Er wollte das Leben gerne lockerer angehen. Zum Beispiel die Person, mit der er angeblich zusammenlebte, auch gelegentlich zu Gesicht bekommen. Vielleicht bei Waterbury aufhören und irgendwo anders anfangen, wo die Arbeitszeiten humaner waren. Vielleicht Zeit mit den Kindern verbringen, die er letztendlich doch gerne hätte. Er war sich noch nicht sicher über die Details, aber ihm war klar, dass er bei der Hetzerei nach Geld und Status nicht mehr lang mitmachen wollte.
Das einzige Problem dabei war, dass er eine Schwäche für knallharte Karrierefrauen hatte. Vor allem für Karrierefrauen mit großer Klappe, wilder, unprofessioneller Mähne und sinnlichen Rundungen.
»Und?«, drängte ich, als Georgia schon wieder zu verstummen drohte. »Wie ging es weiter? Werdet ihr nun bis ans Lebensende glücklich sein, wie ich gesagt habe?«
»Na ja«, sagte Georgia und streckte den Rücken durch. »Das ist eben die Frage.«
Es stellte sich nämlich heraus, dass Chris Starling zu den Männern gehörte, die es lieber langsam angingen.
»Es ist wunderbar mit dir«, hatte er ihr noch am Abend zuvor gesagt, »aber es ist eine Sache, was wir tun, wenn wir unterwegs sind. Die Realität ist eine ganz andere. Es ist wirklich schön, aber du solltest dir gut überlegen, was es bedeutet, wenn ich hier in Boston ein Teil deines Alltags bin. Ich bin nicht gerade dein Typ.«
Daher hatten sie abgemacht, dass Georgia zu der großen Silvesterparty fahren und dort Jared gegenübertreten sollte - dem letzten seiner Gattung, wie man nur hoffen konnte. Chris wollte nicht eher mit ihr sprechen, bis sie sich in ihrem tatsächlichen Leben gut umgesehen und sich ihn in diesem Umfeld vorgestellt hatte. Falls sie glaubte, es könne in ihrem Leben einen Platz für ihn geben, auch wenn er nicht gerade in das Schema ihrer früheren Freunde passte, dann sollte sie ihn anrufen, und sie würden darüber reden. Aber sie sollte nichts überstürzen. Wenn sie sich nicht sicher war, dann wäre das völlig in Ordnung. Er war kein fünfundzwanzig Jahre alter Mistkerl, der sie mit Drohungen oder Fristen unter Druck setzen würde. Er hatte Zeit.
»Das ist doch grausam«, warf ich ein. »Verspürst du nicht allein deshalb schon ein unbändiges Verlangen, ihn auf der Stelle anzurufen?«
»Du kennst ihn doch gar nicht.«
»Ich mag ihn.«
»Und ich erst«, seufzte Georgia. »Ich will nur schnell zu dieser blöden Party, dem Arschloch Jared begegnen, mir selbst einen Tritt in den Hintern verpassen und dann sofort den Mann anrufen, von dem ich schon vor einem Jahr hätte träumen sollen. Und wenn mir dann noch Zeit bleibt, will ich literweise Champagner trinken.«
»Sei nicht zu hart zu dir«, sagte ich und rückte mit den plötzlich viel zu heißen Füßen von der Matchbox-Heizung ab. »Vor einem Jahr wäre das Ganze keine so gute Idee gewesen, denn damals war ja noch die Ehefrau mit im Spiel.«
»Na ja, jetzt ist sie jedenfalls raus«, meinte Georgia. »Und eigentlich muss ich mich gar nicht verteidigen, Amy Lee ist schließlich nicht hier, um mir unter die Nase zu reiben, dass ich bloß nicht zu früh große Gefühle entwickeln soll. Obwohl ich wirklich nicht weiß, was ich für ihn empfinde. Es ist alles so merkwürdig und überwältigend und durcheinander, aber ich war wegen eines Kerls noch nie so aufgeregt. Und diesmal ist es jemand, mit dem ich auch reden kann, der mich zum Lachen bringt und dem ich etwas bedeute. Das ist alles so neu.«
»Du musst ihn so schnell wie möglich anrufen!«, quietschte ich beinahe ebenso aufgeregt.
»Und ob«, sagte Georgia und strahlte über das ganze Gesicht. »Was glaubst du, warum ich so Gas gebe?«
Das tat sie tatsächlich. Aber selbst Georgia konnte nichts gegen den Feiertagsverkehr ausrichten, der den Cape-Cod-Kanal entlangschneckte. Von der Blechlawine, die zäh den Mid-Cape-Highway in Richtung Provincetown entlangschlich, ganz zu schweigen. Es war bereits Nachmittag, als wir endlich am Ziel ankamen: einem hübschen Küstenort am Ellbogen des Armes, den die Cape-Cod-Halbinsel darstellte.
Wir hatten beide nur eines im Sinn - Jared ausfindig machen, die Unterschiede zwischen ihm und Chris Starling feststellen, Georgias Erkenntnis feiern, dass Chris Starling ganz wundervoll war, ihn wie geplant anrufen und damit ein für alle Mal einen Schlussstrich unter Georgias bisheriges, schmerzvolles Liebesleben ziehen.
Wenn uns dann noch Zeit blieb, würde ich mich vielleicht noch um eine meiner
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