Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich
Lucia bestimmt sauer sein würde. Beim dritten Glas Wein erzählte sie dann, sie habe einmal den Fehler gemacht, Lucia einen Artikel schreiben zu lassen, den sie mir dann auch zeigte: Zehntausend Wörter, ein halber Roman fast, über Mrs. Kent, die beim Gemeindefest den ersten Preis für ihren Schokoladenkuchen gewonnen hatte.
„Unterhaltung mit Substanz. Das gefällt mir“, sagt Alan und lächelt gerade so weit, dass ich ein Stückchen seines grauen Zahns sehe. Ich wende mich ab.
„Was hast du denn für Themen?“, will Penelope wissen.
Lucia schiebt trotzig die Unterlippe vor, als ich fortfahre: „Wir sollten uns auf superlokale Geschichten stürzen. In ganz Amerika sinken die Abonnentenzahlen. Die Leute können ihre Nachrichten von überallher bekommen – CNN, Internet, sogar übers Handy –, also müssen wir den Lesern in Eaton Falls Storys bieten, die sie sonst nirgendwo bekommen. Ich denke, die Leute wollen mehr als nette, harmlose Anekdoten oder allgemeine Meldungen von den Nachrichtenagenturen. Und natürlich wird das alles auch auf unserer Webseite zu lesen sein, die dann mehr Besucher bekommt.“
Lucia schnaubt.
„Ich weiß, Lucia“, sage ich in der Hoffnung, sie zu besänftigen, „wir sind in erster Linie eine Zeitung. Aber wenndie Leute sie nicht lesen, dann sollen sie wenigstens auf unsere Webseite gelockt werden, die über unsere Anzeigenkunden finanziert wird. So machen wir auch Gewinn.“
„Super, Chastity“, findet Penelope. „Dafür haben wir dich eingestellt.“
„Aber zu Ostern müssen wir etwas über die Auferstehung bringen“, sagt Lucia, die keineswegs besänftigt ist.
„Vielleicht etwas über die Ostereiersuche vor Ort und ein paar regionale Traditionen, aber wir bringen keinen Artikel über die Auferstehung. Das sind keine Nachrichten, Lucia“, erkläre ich fest. „Das ist vor zweitausend Jahren passiert.“
Lucia fällt das Kinn herunter. „Penelope!“, protestiert sie. „Sie kann doch nicht …“
„Ich muss Chastity hier recht geben, Lu“, sagt unsere Chefin. „Lasst uns weitermachen. Angela?“
Angela, eine Frau etwa meines Alters mit sanfter Stimme und freundlichem Gesicht, hat das Gespräch bisher schweigend verfolgt. „Ja, also“, beginnt sie beinahe flüsternd und rückt ihre Brille zurecht, „morgen eröffnet das Callahan’s , darüber werde ich natürlich berichten. Für das kommende Wochenende bringe ich ein paar beliebte Osterrezepte mit fettarmer Zubereitung. In der Reihe über nahrhafte Zwischenmahlzeiten habe ich …“
Ich versuche mich zu konzentrieren, als Angela uns das Rezept für Spargelcremesuppe erklärt, das unsere Leser, wie sie hofft, begeistern wird. Ich bin zwar keine gute Köchin, aber ich esse für mein Leben gern, und dieses ganze Gerede über Essen macht mich hungrig. Zum Glück entsprechen Angelas Vorschläge genau meinem Plan, denn ihre Rezepte und Ratschläge werden weitere Gründe für die Leser sein, zusätzlich unsere Internetseite zu besuchen, auf der mehr Informationen Platz haben als in unserer Donnerstagsausgabe.
Nach dem Meeting setze ich mich ans Telefon, rufe alle freiberuflichen Mitarbeiter der Zeitung an und stelle michvor. Dann suche ich im Stadtkalender nach Ereignissen, über die ich schreiben könnte, und unterhalte mich nett mit einer Dame von der Handelskammer. Ich redigiere einen Artikel für die nächste Ausgabe und beschließe dann mit einem Blick auf die Uhr, dass es Zeit ist, den friedensbringenden Olivenzweig zu reichen – bildlich gesprochen.
Ich schnappe meinen Rucksack, stecke mein Handy ein und gehe zu Lucia, die eifrig Akten ordnet. „Lucia, ich höre, du bist verlobt?“ Mein Friedensangebot wirkt.
Lucia ist mehr als glücklich, die nächsten zehn Minuten über Freud und Leid des Verlobtseins zu referieren. „Da habe ich der Floristin gesagt, dass es mir egal ist, welche Jahreszeit wir haben! Teddy … mein Verlobter … ich nenne ihn Teddybär, ist das nicht süß? Also, Teddy liebt Wicken. Er liebt sie einfach, also muss ich Wicken haben! Er will sie gemischt mit Schleierkraut, das sieht ja so hübsch aus! In so kleinen Kugelvasen. Und Kerzen. Und dann kam diese blöde Floristin und meinte, ich kann keine Wicken haben! Das gibt es doch gar nicht!“
Ich zwinge mich zu einem Lächeln, sehe auf die Uhr und frage mich, ob alle Bräute so hysterisch sind wie Lucia und alle Bräutigame sich so sehr für Tischdekoration interessieren wie Ted. Das klingt ja fast so, als wäre er … Na
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