Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich
sieben bis dreiundzwanzig der Kuchenverkaufsgeschichte.
Am anderen Ende der Leitung herrscht Schweigen. Ein schlechtes Zeichen. „Mom?“
„Vier Mal hat er mir versprochen, dass er in den Ruhestand geht, und jedes Mal kam wieder etwas anderes dazwischen. Jimmy Troiano fiel wegen einer Rückenverletzung aus. Die Neuen waren noch nicht genügend eingearbeitet. Die Pensionsfonds der Gewerkschaft mussten neu berechnet werden.“ Sie seufzt laut. „Ich habe mit einundzwanzig geheiratet, Chastity. Fast zehn Jahre lang habe ich täglich Windeln gewechselt. Weißt du, wie oft ich euch Kinder in die Notaufnahme bringen musste? Ich habe es neulich mal gezählt: neunundzwanzig Mal! Ich hatte Enkel, noch ehe alle meine Kinder mit dem Studium fertig waren.“
„Das verstehe ich ja, Mom, aber …“
Aber nein. Sie ist gerade in Fahrt. „Nein! Das verstehst du nicht.“ Ihre Stimme klingt so resolut wie die eines Generals. „Ich war gern Mutter, und ich liebe meine Enkelkinder über alles, aber ich bin in einem Alter, in dem sich mein Leben auch um andere Dinge drehen sollte als um meinen Nachwuchs. Ich habe auch andere Interessen. Ich habe Sehnsüchte, Chastity!“
„Das freut mich, Mom, aber …“
„Ist es denn so falsch, etwas für sich selbst zu tun? Zu reisen und Spaß zu haben und etwas einfach nur zu deshalb zu machen, weil es interessant klingt?“
„Es ist …“
„Ach, Schätzchen. Ich wollte dir nicht die Ohren volljammern. Wenigstens kann ich dir überhaupt etwas erzählen. Die Jungs wollen nichts davon hören.“
Sie wollen nicht hören, dass ihre Mutter plant, mit ihrem neuen Freund ins Bett zu gehen? Warum bloß? „Hör zu, Mom, ich hab dich lieb, und weißt du was? Eigentlich will ich so sein wie du.“
„Sei nicht albern, Chastity.“
„Ich meine es ernst“, beharre ich. „Du bist eine tolle Mutter, abgesehen von deinen Kochkünsten, und du hast uns ein schönes Zuhause geboten. Wir sind alle verrückt nach dir. Sieh uns doch an! Fünf Kinder, und keines wohnt weiter als zwanzig Kilometer entfernt.“
„Was ich übrigens ganz erbärmlich finde“, wirft meine Mutter ein.
Ich muss lachen. „Also gut. Wir können uns wohl nicht abnabeln. Aber ich bitte dich, überleg dir gut, ob du wirklich das willst, von dem du glaubst, dass du es willst.“
„Gut. Danke, Schatz.“ Sie scheint besänftigt. „Und du willst, dass wir auch ins Blue Moon kommen?“
„ Nein! Hör gut zu, Mom: Kommt nicht ins Blue Moon . Auf gar keinen Fall. Kein Blue Moon !“
„Na, schön. Du brauchst aber nicht mit mir zu sprechen, als wäre ich ein Kind.“
Zähneknirschend lege ich auf, redigiere den Kuchenartikel fertig, prüfe eine Story über die Auswirkungen des geringen Schneefalls im letzten Winter und stelle alles auf die Webseite. Mein Tagespensum ist erledigt.
Wie ich meiner Mutter gegenüber schon erwähnte, findet heute meine tolle Verabredung mit Ryan Darling statt. Angela hat das Blue Moon empfohlen, das in Jurgenskill auf der anderen Seite des Hudson gerade neu eröffnet hat. Sie hat letzten Monat eine Kritik darüber geschrieben und fand es interessant, gemütlich, elegant und recht preiswert. Hoffentlich kann ich das Essen als Spesen abrechnen, da es ja schließlich ein Interview ist.
Ich eile nach Hause und gehe mit Buttercup Gassi. Sie scheint in letzter Zeit mehr Energie zu haben. Vielleicht brauchte sie nur viel Luft, überlege ich, während sie zügig vor mir her trottet. Sie schnüffelt an einem Postkastenpfahl, markiert ihr Revier und trabt weiter. „Beeil dich, Süße!“, rufe ich. „Mommy hat eine Verabredung und muss sich nochschminken.“ Schwanzwedelnd und mit flatternden Ohren kommt sie auf mich zu. „Wer weiß, Buttercup?“, fahre ich fort. „Vielleicht bekommst du ja bald einen Daddy.“
„Und haben Sie schon immer Kampfsport betrieben?“
„Ja.“ Ryan lächelt. „Mit sechs Jahren habe ich angefangen, mit vierzehn meinen schwarzen Gürtel bekommen, und auf dem College gehörte ich zum Wettkampfteam.“
Ich komme mir vor wie in einer Filmszene. Das Blue Moon ist genau so toll, wie Angela gesagt hat … gemütlich, ruhig, stilvoll, mit freundlichem, aufmerksamem, zurückhaltendem Personal. Auf den Tischen stehen Kerzen, der Wein ist ausgezeichnet, der Mann mir gegenüber ist umwerfend, und wenn er mich anlächelt, habe ich ein warmes, kribbelndes Gefühl im Bauch.
Der Abend verläuft wunderbar. Meine Frisur sitzt. Ich bin mit einer tief, aber nicht zu tief
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