Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich
hatte, ist es noch sehr nett geworden. Ryan hat mich gefragt, ob ich am Freitag wieder mit ihm essen gehen würde, ins Emo , und ich habe sofort zugesagt.
Der Lift bleibt stehen, und eine Frau mittleren Alters steigt zu. „Meine Tochter hat gerade ein Kind bekommen“, verkündet sie strahlend.
„Herzlichen Glückwunsch“, sage ich. „Junge oder Mädchen?“
„Ein Junge! Patrick! Er ist wunderhübsch!“ Ihre Augen füllen sich mit Freudentränen, und ich tätschle lächelnd ihrenArm. Ryan schweigt, er ist mit seinen Unterlagen beschäftigt. Muss ein schwerer Fall sein. Der Fahrstuhl hält wieder an, und er blickt auf.
„Hier muss ich raus. Bitte entschuldige mich“, sagt er förmlich.
„Dann noch einen schönen Abend“, antworte ich.
Er dreht sich um, lehnt sich noch einmal in die Kabine und drückt mir einen Kuss auf den Mund. „Dir auch, Chastity.“ Er ist verschwunden, ehe die Röte mein Gesicht vollständig überzogen hat. Ich beiße mir auf die Lippe und lächle. Er hat mich geküsst. Ryan Darling hat mich geküsst. Und es war schön. Schnell, aber schön.
Die Türen schließen sich wieder. „Na, das ist aber ein hübscher Mann“, kommentiert die frisch gebackene Großmutter. „Ihr Ehemann?“
„Nein, nein“, entgegne ich. „Wir sind … na ja, wir haben uns erst vor Kurzem kennengelernt.“ Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd.
„Schön für Sie, meine Liebe. Ein Arzt, und noch dazu gut aussehend!“ Sie lächelt und seufzt. „Aber ein Enkelkind zu bekommen, ist noch schöner. Patrick ist mein erstes, müssen Sie wissen.“
Mein Ego, das durch Bevs Gardinenpredigt ziemlich angekratzt war, ist nach der Begegnung mit Ryan wiederhergestellt. Wie die Frau gerade sagte: Er ist ein extrem gut aussehender Mann, unglaublich klug und talentiert und gebildet und auch ziemlich charmant.
Ich denke über den Zwischenfall in der Damentoilette nach. Meine befleckte Brust. Trevors Hand. Dann schüttle ich den Kopf und wiederhole innerlich das Mantra, das mich seit Urzeiten begleitet: Trevor und ich sind nur gute Freunde. Wir waren einmal zusammen. Es hat nicht funktioniert. Wenn er der Mann ist, den ich gern hätte … tja, man kriegt eben nicht alles, was man will. Das bedeutet ja nicht,dass ich mich nicht wieder verlieben kann. Jemand anderen finden kann. Ich muss nicht mein ganzes Leben lang Trevor Meade hinterhertrauern.
Wieder zu Hause, nehme ich Buttercup an die Leine und gehe mit ihr spazieren. Der Mai ist so ein schöner Monat! Die Kirschbäume vor dem Nachbarhaus stehen in voller Blüte, späte Tulpen wiegen sich am Wegesrand. Ich sollte dieses Jahr auch etwas im Garten tun. Buttercup schnüffelt aufgeregt an einem Blumenbeet mit Traubenhyazinthen. Und der Fliederbaum gegenüber wird in ein oder zwei Wochen prächtig aussehen.
Ich gehe in Richtung Innenstadt, vorbei am Bürgerkriegsdenkmal und an der Bücherei mit ihren Bänken unter den hohen Ulmen. Die Straßenlaternen tauchen alles in weiches rosafarbenes Licht. Ab und zu werfe ich einen Blick in die Fenster der Wohnungen über den Geschäften der Hauptstraße. Dort hat jemand ein riesengroßes Bücherregal. Ein anderer hat sein Zimmer rot gestrichen. Wieder jemand ist ein Blumenfreund. Es gefällt mir, einen kleinen Einblick in das Leben anderer zu bekommen.
Buttercup strebt auf einen Hydranten zu und scheint ihre Bluthund-Gene voll auszuleben, denn sie hört gar nicht wieder auf zu schnuppern. Sie hat in letzter Zeit auch mehr Energie, und es ist nicht mehr so anstrengend, mit ihr zu gehen, obwohl sie für ihre Größe immer noch ausgesprochen langsam ist. Schwanzwedelnd schnüffelt sie weiter am Bürgersteig entlang.
Plötzlich stehe ich vor dem Wohnhaus meines Vaters, obwohl ich es nicht bewusst angesteuert hatte. Was soll’s? Ich klingle bei ihm.
„Trev?“, fragt mein Vater über die Sprechanlage.
„Nein, hier ist Chastity.“
„Hallo, Küken!“ Er lässt mich rein, und ich muss Buttercup die Treppe zu seiner Wohnung praktisch raufschieben.
„Du schaffst das, mein Mädchen! Gleich sind wir oben!“, drängle ich sie, als sie auf dem zweiten Treppenabsatz zusammenzubrechen droht. Endlich erreichen wir Dads Tür, die offen steht.
„Komm rein“, ruft er aus der Küche.
Ich bin erst ein Mal hier gewesen, letzten Sommer. Es sieht jetzt nicht viel anders aus. Ein Futonsofa in der einen, ein Fernseher in der anderen Ecke und immer noch jede Menge unausgepackter Kisten. Ein paar Feuerwehr-T-Shirts liegen ausgebreitet
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