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Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich

Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich

Titel: Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristan Higgins
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Chastity.“
    „Danke.“
    „Noch etwas?“, fragt unsere Chefin weiter. Alle schweigen. „Ende der Sitzung. Chastity, komm bitte noch in mein Büro, ja?“
    Sie schließt die Tür und lehnt sich gegen ihren Schreibtisch. Ich sitze nervös auf der Stuhlkante. „Das ist wirklich übel, Chastity. Glaubst du, es ist Zufall, dass es etwas mit Herr der Ringe zu tun hat? Jeder hier weiß, dass du ein großer Fan bist …“
    „Angela auch“, sage ich leise. „Aber du hast recht, das ist schon auffällig. Wer könnte unserer Zeitung denn Schaden zufügen wollen? Oder gilt es nur mir persönlich?“
    Wir sehen einander besorgt an. Nach einer Weile sagt sie: „Ich weiß, dass Lucia richtig sauer war, als sie deine Stelle nicht bekommen hat. Aber ich traue ihr nicht zu, etwas zu unternehmen, das der Zeitung schaden würde. Sie liebt die Gazette .“
    Ich nicke. „Ehrlich gesagt: Wenn sie es tatsächlich schafft, sich in die Administration zu hacken, dann hat sie ihre Kenntnisse bisher gut verborgen. Sie kann mir noch nicht einmal E-Mails mit Anhängen schicken, obwohl ich es ihr vier Mal gezeigt habe.“
    „Ja, mit Computersachen kennt sie sich nicht besonders gut aus“, meint auch Penelope.
    „Ich kann mir einfach nicht vorstellen …“ Ich breche ab.
    „Was ist mit deinem Bekanntenkreis, Chastity? Gibt es dort jemanden, der dir Böses will?“
    Ich schüttle den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste.“
    Der Rest des Tages verläuft still und trübselig. Wir versuchen, den Schaden so gut es geht zu begrenzen, und ich weiß nicht, ob es eine so gute Idee war, den örtlichen Nachrichtensender zu informieren. Der schickt sogar ein Kamerateam, was bestimmt jeden einzelnen Computerfreak der Stadt animiert, sich heute Abend auch mal bei uns reinzuhacken. Ich hänge noch mal eine Stunde am Telefon, lasse mich von einem Internetfachmann beraten und lade mehr Sicherheit hoch. Ich überprüfe immer wieder alle Seiten der Homepage mit der Angst, wieder etwas Neues zu finden, doch sie bleibt sauber.
    Noch nie zuvor hatte ich Ärger bei meiner Arbeit und fühle mich eingeschüchtert und schuldig, weil ich das ganze Team mit hineingerissen habe. Das ist neu für mich und entsetzlich unangenehm. Ich bleibe lange im Büro, prüfe noch einmal alle Firewalls und Passwörter und mache mich dann auf den Weg zum Fluss. Zwar bin ich heute Morgen schon gerudert, aber ich muss mich noch einmal bewegen, um die schlechte Stimmung zu vertreiben. Außerdem war heute Morgen Ernesto dabei, sodass ich nicht mein übliches Pensum rudern konnte.
    Ich habe immer einen Satz Kleidung zum Wechseln im Bootshaus. Nachdem ich mich umgezogen habe, setze ich Rosebud ins Wasser, steige ein und bin mit ein paar Ruderschlägen mitten auf dem Hudson. Ich blicke über die Schulter in Fahrtrichtung, sehe, dass der Fluss leer ist, und lege los. Auslage … Rücklage … Auslage … Ich mache mir heute nicht die Mühe, mich aufzuwärmen. Ich brauche den Schmerz. Das Bild von Aragorn und Legolas lässt sich allerdings nicht vertreiben. War das persönlich gemeint? Wer hasst mich so sehr? Könnte es ein brüderlicher Scherz gewesensein? Nein, auf keinen Fall. Das würde keiner der Jungs bringen – und vermutlich auch nicht können.
    Auslage … Rücklage … Setzen und ziehen, setzen und ziehen. So gleichmäßig wie sonst läuft es nicht, und ich werde längst nicht so schnell. Einmal rutscht mir fast der Rollsitz aus den Schienen. Und dann passiert es: Ich „fange einen Krebs“. Da ich abgelenkt bin und ungleichmäßig rudere, ziehe ich mein Backbordruderblatt nicht rechtzeitig aus dem Wasser. Es bleibt im Wasser hängen, wirkt wie eine Bremse, und das Skull springt aus der Dolle. Eine Minute lang habe ich zu kämpfen, dass das Boot nicht umkippt, dann bringe ich das Skull wieder in Position. Ich halte inne und ringe nach Luft. Wie ich sehe, bin ich bis auf sechs Meter ans Ufer herangedriftet, direkt neben den Park. Jeder, der mich beobachtet hat, konnte meine ungelenke Vorstellung mit ansehen, was mein Selbstwertgefühl nicht unbedingt steigert.
    Ich mache einige Minuten Pause und lasse mich von der Strömung treiben. Der Park ist hübsch, eine der Hauptattraktionen der Stadt. Überall verstreut stehen Bänke, und viele Menschen genießen den milden Maiabend. Pärchen gehen Hand in Hand, Kinder laufen lachend herum. Jemand lässt einen Drachen steigen.
    Ich frage mich, wer von ihnen heute Morgen Aragorn und Legolas gesehen hat.
    Plötzlich sehe ich etwas weiter

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