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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Mander
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nicht alle Sachen in Grau. Ich will keine Angst haben, meine Beine im Bett bis ans Fußende auszustrecken, ich will nicht die eisige Kälte der eiskalten Betttücher, ich will keine erstarrten Achselhöhlen, aus denen kalter Schweiß tropft, und kein Pinguin-Guano zwischen den Schenkeln, denn ganz am Ende vom Bett, genau da, wo die Füße sich in von Gespenstern angeknabberte Stümpfe verwandeln, ist die Antarktis. Ich will da nicht runterrutschen, ins ewige Eis mit der beißenden Kälte an den Knöcheln. Ich will hierbleiben. Ich will nicht in die Dritte, Vierte, Fünfte Welt bis in die letzte Seite vom Atlas fallen. In die Dritte, Vierte, Letzte Welt, wo sie dann die Kinder ganz oder als Ersatzteile verkaufen. An den Grenzen der Menschheit sind nur Seehunde und Pinguine und Seelöwen, die ihre eigenen Kleinen verschlingen.
    Und vor allem und mehr als alles andere will ich nicht ohne meinen wunderbaren Kater Blu leben. In Waisenhäusern bringen sie dir Katze zum Abendessen und tun so, als wäre es Kaninchenpfeffer.
    Blu springt mir auf den Arm, als könnte er Gedanken lesen, auch wenn es gerade sehr schwierig ist, an nachher zu denken. Jetzt ist nur ein großes Jetzt, das sich ausdehnt und einer stummen Karte ähnelt.
    Ich kann höchstens an das Nachher danach denken, also sehr viel weiter in der Zeit. Ich kann mir vorstellen, wie es sein wird, wenn ich Tierarzt bin und Katzen behandle, die überall hinpinkeln.
    Ich kann mir in meiner Phantasie vorstellen, mit Antonella zusammen zu sein und sie auch zu heiraten und zu machen, dass ihr Bauch mit einem Kind darin dicker wird.
    Nach Hause zu kommen und ihr zu erzählen, dass ich ein Gürteltier behandelt habe und ein Wasserschwein – Sammelbild Nr. 55, das, was man nie kriegt.
    Sehr seltene Tiere gerettet zu haben, auch ein Faultier, Nummer 78, das sich genau wie Mama in Zeitlupe bewegt.
    Und sie sagt zu mir:
    Â»Liebling, du siehst aus wie ein Bärchen mit Brille.«
    Denn es ist wahrscheinlich, dass ich als Erwachsener eine Brille habe.
    So eine von denen, die die Kleinigkeiten vergrößern.
    Bei Mama sind mir ein paar Kleinigkeiten entgangen. Vielleicht gab es an ihr etwas, das mich hätte verstehen lassen müssen, dass sie nicht wieder aufwachen würde. Doch auch wenn ich mich anstrenge, mich an jede Einzelheit zu erinnern, kommt es mir so vor, als wäre sie wie immer gewesen, neulich Abend, nicht schlimmer als sonst.
    Wir haben Hähnchenschlegel und Kartoffeln zu Abend gegessen, und sie hat mitgegessen. Sie hat zwei Schlegel genommen und mir die mit der knusprigen Kruste gelassen. Blu ist auf den Tisch gesprungen und hat versucht, mit der Pfote ein Stück Huhn zu klauen, und Mama:
    Â»Gib Blu nicht die Knöchelchen, denn kleine Hühnerknochen können Katzen Löcher in den Magen machen.«
    Â»Mama, warum hat Blu immer Hunger?«, habe ich sie gefragt.
    Sie hat mir nicht geantwortet. Das tut sie nie, wenn ich sinnlose Fragen stelle. Ich probiere alles Mögliche, um eine Unterhaltung anzufangen, ich verstehe, wenn es nicht passt, aber manchmal bin ich hartnäckig; wenn ich ein bisschen albern bin, sage ich mir, amüsiert sie sich vielleicht; wenn ich sie zum Lachen bringe, geht ihre Traurigkeit vielleicht vorbei.
    Neulich Abend haben wir wirklich nicht viel geredet, denn ich erinnere mich an das Brummen des Kühlschranks, das Geräusch der Gabeln, wenn man sie auf die Teller legt, und das scharfe Geräusch ihres Nagels, der das Etikett von der Mineralwasserflasche kratzte. Doch es ist oft so gewesen, dass Mama nicht gesprächig war, Mama ist nie gesprächig.
    Es ist im Gegenteil so, dass die Sätze, wenn sie redet, manchmal in der Mitte abbrechen, als fiele ihr nicht das richtige Wort ein, und ich sage ihr, Mund zu, die Fliegen kommen rein, weil sie das auch zu mir sagt, wenn ich den Mund offen stehen lasse.
    Â»Mach den Mund zu, sonst siehst du wie ein Idiot aus.«
    Und dann ist nicht gesagt, dass man, wenn man traurig ist, mit den Medikamenten etwas falsch macht, oder dass man, wenn man traurig ist und mit den Medikamenten etwas falsch gemacht hat, wegen der Medikamente nicht mehr aufwacht.
    Es passiert eben, dass man etwas falsch macht.
    Auch ich habe einmal etwas falsch gemacht und mir eine Bohne in die Nase gesteckt, während Mama das Gemüse für die Minestrone vorbereitete. Um die Wahrheit zu sagen, hatte ich es auch ein bisschen absichtlich gemacht,

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