Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
Horror. Nach dreieinhalb Stunden musste ich einen leichten Nervenzusammenbruch abwenden, setzte die gesamte Mannschaft auf die schon total versaute Sofalandschaft und schmiss „Barbie als Meerjungfrau“ in den DVD Player. Dreiundachtzig Minuten später hatte ich mich wieder einigermaßen im Griff. Natürlich hängt man sowas nicht an die große Glocke und blamiert sich bis auf die Knochen. Ich dachte mir blitzschnell ein paar Fragen zum Film aus und verpackte die Aktion als Quiz.
„Johanna hat mir erzählt, sie hätte eine DVD bei euch gesehen?“, sprach mich auch prompt eine Mutter zwei Tage später an. Ich spielte das lachend herunter.
„Fernsehen? Ach, du meinst unser Ratespiel . Wie pfiffig und aufmerksam einige Kinder waren, total beeindruckend. Johanna hat übrigens ganz toll mitgemacht. Sie war die Beste.“
„Wirklich? Ach so, ich dachte schon. Kindergeburtstag mit Fernsehen, das wäre ja was. Wir schauen zuhause kaum Fernsehen. Wir basteln lieber gemeinsam mit dem Kind.“
Der Nummer Eins Spruch „meine Kinder schauen so gut wie nie Fernsehen“ meiner Mütterdiskussionshitparade ist doch immer wieder für einen Lacher gut. Wenn schuldbewusste Mütter zugeben, ihre Kinder Sonntagsmorgens vor die Glotze zu setzen, um noch eine Runde weiterschlafen zu können, während einige Mütter entsetzt den Kopf schütteln und behaupten, das eigene Kind würde der ganze Schund auf KIKA überhaupt nicht interessieren, bekommen langweilige Elternabende doch erst frischen Wind. Bei der letzten Frühlingsbastelaktion im Kindergarten löste Justus Mutter eine hitzige Debatte aus, weil sie behauptete, Nutella wäre gesünder als „die ganze Antibiotikum verseuchte Wurst“. Es gab großen Protest von der Bei-uns-gibt’s-nur-sonntags - Nutella- Fraktion. Nach einer Stunde und mindestens hundert selbstgebastelter Osternester ging Käse noch vor der selbstgemachten Marmelade, der Salami und der Leberwurst als Sieger aus dem Brotbelag Streit hervor.
Ich hätte mich lieber über die wirklich wichtigen Dinge im Leben unterhalten, aber auf meine Frage „was meint ihr, wer dieses Jahr ins Dschungel Camp geht und wer für Dirk Bach einspringt?“, kam lediglich desinteressiertes Achselzucken und ein paar abfällige Bemerkungen.
Viertens: Ein Kindergeburtstag braucht ein durchdachtes Konzept, sonst läuft alles genauso aus dem Ruder wie letztes Jahr - keine freie Spielzeit, keine langweiligen Pausen.
Die Kinder werden weder durchs Haus rennen, noch auf meinem Sofa rumhopsen oder Gelegenheit zum Zanken bekommen. Mein Konzept besteht aus einem wochenlang durchdachten, hieb- und stichfesten Ablaufplan. Sara wird ihr sechster Geburtstag für immer als besonderes Erlebnis im Gedächtnis bleiben. Um das Ganze für die Ewigkeit zu dokumentieren, liegen Digicam und Fotoapparat bereit.
„Weißt du noch damals?“, werde ich sie in zwanzig Jahren fragen und die alten vergilbten Fotos heraus kramen.
„Das war der tollste Geburtstag meines Lebens“, wird sie sagen und mich fest an sich drücken.
Das Motto der Party kommt mir ebenfalls sehr entgegen. Wo könnte man eine Gruselparty besser feiern als im Keller? Da können die kleinen Bestien meinetwegen rumkrümeln wie sie wollen. Ich werde mein Wohnzimmer dieses Jahr wie den heiligen Gral beschützen. Das Putzen kann ich mir auch sparen. Die Spinnweben geben der Party doch erst den richtigen Schliff.
15.00 - 15.15 Uhr : Ankunft der Gäste, kurze Begrüßung aller Kinder, Geschenkübergabe, Platz am Geburtstagstisch in der Küche aussuchen
15.15 Uhr – 15.45 Uhr : Kurze Ansprache an die Kinder, Anstimmung des Geburtstagsliedes, Torte ausblasen, Kuchen und Kakao, ggf. dabei ein oder zwei Runden Stoppsagen spielen, nicht vergessen: zwischendurch alle Kinder nach Pippi fragen (wir hatten zwei Malheure letztes Jahr)
15.45 Uhr – 16.15 Uhr : Umzug in den Keller, danach: Die Reise nach Jerusalem
16.15 Uhr – 16.45 Uhr : Topfschlagen
16.45 Uhr – 16.50 Uhr : Trinkpause
16.50 Uhr – 17.20 Uhr: Stopptanz, alle nach Pippi fragen
17.30 Uhr – 18.00 Uhr: Abendessen, Abholung durch die Eltern, kleiner Umtrunk, Ausgabe der Mitgebsel
Um spätestens 18.15 Uhr werde ich die Schlacht erfolgreich gewonnen haben.
Pünktlich um drei Uhr klingelt es an der Haustür. Der erste Geburtstagsgast ist der kleine Julius Jagemann. Sara hat in der Kindergartengruppe die Patenschaft für ihn übernommen und kümmert sich ab und zu um ihn. Ich war ganz
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