Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
Lautstärke eine winzige Stufe nach unten und mache mir einen Kaffee. Mit einem tiefen Seufzer lasse ich mich auf den Stuhl fallen und blättere im Käseblättchen. Der Staubsauger stört mich dabei nicht die Bohne. Im Gegenteil, das gleichmäßige Surren beruhigt und die Kinder lassen sich nicht blicken, solange das Ding an ist. Ich brauche kein autogenes Training, Yoga oder anderen Schnickschnack um runterzukommen, nur meinen Vorwerk und eine heiße Tasse Kaffee.
Nutella gibt´s nur sonntags
Kindergeburtstag. Gibt es etwas was so schön, aber auch gleichzeitig so schrecklich sein kann?
Mein Mann Bernd ist mit „wichtigen Meetings“ und „unaufschiebbaren Reports“ fein raus. Der 6. Geburtstag meiner Tochter findet auch dieses Jahr wieder ohne ihn statt. „Ich versuche um Fünf zuhause zu sein. Die paar Kinder hast du doch im Griff.“
Zur Unterstützung habe ich meine Freundin Linda verpflichtet, die mir nur sehr widerwillig den Gefallen tut. Ich hielt einen Dauermonolog über Freundschaft und Treue, zog ein bisschen über meinen nichtsnutzigen Ehemann her und versprach ihr ein Dankesessen mit mindestens einer Flasche Prosecco bei unserem Stammitaliener Antonio . Nachdem ich sie an der Angel hatte, erwähnte ich noch kurz im welchen Rahmen meine Tochter zu feiern gedenke.
„Ich soll was?“
„Dich ein bisschen verkleiden. Es ist eine Gruselparty.“
„Ich weiß nicht, ob ich das so schnell hinkriegen kann. Obwohl…“, sie machte eine kurze Pause , „ich habe da noch mein Teufelskostüm. Das wäre doch okay.“
„Nicht gruselig genug“, widersprach ich schnell, denn ich kannte dieses „Altweiber-wird-ein-Kerl-klargemacht“-Kostüm.
„Ist dir schon mal aufgefallen, dass 80% aller übrig gebl iebenen Singleweiber im Teufelskostüm unterwegs sind? Da erkennt man sofort, wer es nötig hat“, spottete Bernd, als wir dieses Jahr mit den Kindern auf dem Karnevalszug in der feierenden, betrunkenen Menge standen. Ich zuckte die Flügel meines Marienkäferkostüms und war peinlich berührt, als Linda eine Stunde später bei uns vorbeischaute. Sturzbetrunken, in einem knappen roten Lackkleidchen, das sie bei Ebay in einem Erotikshop ersteigert und mit einem kleinen Teufelsschwänzchen versehen hatte. Blickfang und No-go waren die zwei Druckknöpfe am Busen.
„Guck mal, die Knöpfe habe ich mit Sekundenkleber ganz fest geklebt, damit nicht irgendjemand auf dumme Gedanken kommt“, lachte sie. Ihre Hörner waren zu diesem Zeitpunkt bereits eingebeult und hingen windschief in ihrer wild
toupierten und mit Tonnenweise Glitzerspray betonierte Frisur.
„Was habe ich dir gesagt“, raunte Bernd mir schlecht gelaunt zu. Sobald Linda auf der Bildfläche erscheint, geht seine Laune in den Keller.
„Kein Wunder, dass die keinen abkriegt. Die Frau ist zum Abgewöhnen.“
Ich habe mich in all den Jahren damit abgefunden, dass mein Mann und meine beste Freundin, die ich nun schon seit der ersten Klasse kenne, sich niemals grün werden. Dabei hat Linda wirklich jede Menge liebenswerte Eigenschaften, zum Beispiel…äh…na ja, mir fehlt da ad hoc jetzt nichts ein. Aber sie ist meine älteste, beste Freundin und basta. Und sie steht mit mir diesen Kindergeburtstag durch und das lediglich für eine warme Mahlzeit als Gegenleistung. Nur das Teufelsmännerfang Kostüm müsste ich ihr dringend ausreden. So konnte man sie unmöglich auf Kindergartenkinder loslassen.
„Vielleicht habe ich ja noch was. Oder lass es bleiben, es reicht ja, wenn ich mich verkleide“, sagte ich daher schnell.
„Ach, ich finde schon was. Ich will ja kein Spielverderber sein.“
Hätte ich doch einfach meine Klappe gehalten und mich alleine zum Affen gemacht. Eigentlich war es rein egoistisch gedacht, damit ich mir in meinem Vampirkostüm nicht so idiotisch vorkomme. Ich habe mich als Morticia von der Adams Family verkleidet. Mit der langen schwarzen Plastikhaarperücke kann ich leben, die Haare sind glänzender, fülliger und gesünder als meine eigenen. Meine Haut ist unter einer fetten Schicht weißer Clownschminke versteckt, jede Pore schnappt bereits nach Luft. Das Plastikvampirgebiss bereitet mir immense Probleme. Ich lispele und sabbere wie eine Zwölfjährige mit loser Zahnspange. Aber das regelmäßige Spu ckeschlürfen habe ich noch drauf.
„Warum machst du so einen Aufwand? Reichen nicht ein paar bunte Luftballons und Topfschlagen?“, war Bernds Kommentar. Er schüttelte nur den Kopf
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