Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
Bei der Reise nach Jerusalem raubt sie mir endgültig den Nerv:
„Wir spielen jetzt die Reise nach Jerusalem?“
„Warum?“
Weil das mein Zeitplan sagt, du nerviges Kind.
„Weil das lustig ist.“
„Finde ich nicht. Ich mag die Reise nach Jerusalem nicht spielen.“
Dann lass es doch.
„Das ist aber schade, es gibt so tolle Gewinne.“
„Meine Mama hat mir nicht gesagt, dass ich das spielen muss.“
„Schätzchen, das ist ein lustiges Spiel und man kann einen Preis gewinnen.“
„Was für einen Preis?“
„Einen Flummi.“
„Zeig her.“
Lockend präsentiere ich den bunten durchsichtigen Flummi mit Gummispinne im Inneren. Lisa-Maries Augen weiten sich entzückt.
„Kann ich einen haben?“
„Du musst schon mitspielen.“
„Nö.“
„Dann gibt es auch keinen Gewinn.“
Jetzt werde ich trotzig. Wollen doch mal sehen, wer hier am längeren Hebel sitzt. Ich drehe mich weg und widme mich ganz dem Aufbau der Stühle und der Liederauswahl.
Nach der ersten Runde Reise nach Jerusalem merke ich, dass ich mich mit der Einschätzung der Spiellängen total verschätzt habe. Keine fünf Minuten dauert es, bis Laura als Siegerin fest steht. In dem Tempo sind wir mit allen Spielen ruckzuck durch und die Kinder programmlos und unkontrolliert. Die zweite Runde dehne ich daher drastisch aus und lasse Volker Rosin nun schon zum dritten Mal den Gorilla mit der Sonnenbrille singen.
„Du musst auch mal die Musik stoppen.“
Halt´s Maul, Miss Marple.
„Mach doch lieber mit, Lisa-Marie statt zu...“ klugscheisseren.
„statt nur zuzugucken.“
„Nö. Ist doch doof, die ganze Zeit um die Stühle rumzulaufen. Und du stoppst die Musik ja auch gar nicht.“
Jetzt erst recht nicht und nochmal auf die Repeat Taste drücken.
„Ich kann nicht mehr“, hechelt die untersetzte Celina und lässt ich auf einen der Stühle plumpsen.
Die Kinder bauen sich anklagend vor ihr auf und versuchen sie vom Stuhl zerren.
„Das gilt nicht. Die Musik hat nicht gestoppt. Celina muss aufstehen.“
„Aber ich kann nicht mehr. Ich habe solche furchtbaren Seitenstiche.“
„Dann bist du ausgeschieden“, entscheiden die Kinder.
Nun habe ich meine liebe Not wieder Ruhe in die Runde zubringen. Der Schuss ging eindeutig nach hinten los. Celina weint und weigert sich aufzustehen, die Kinder zerren an ihr, diskutieren und brüllen auf sie ein. Es ist Linda, die einen Eklat verhindert. Kurzerhand schiebt sie Celina mit ihren Stuhl in die Ecke. Dann holt sie zwei Muffins und den Trostpreis und setzt sich zu ihr. Heißhungrig fällt Celina über den Muffin her und wirkt wieder sehr zufrieden.
„So stopft man Kindern das Maul“, flüstert Linda leise und jetzt weiß ich wieder, was ich so an ihr schätze.
Der jährliche Horror mit bockigen Gästen, einem überforderten Geburtstagskind und klebendem Fußboden, wird nur noch von meiner Vorfreude auf den anschließenden Geburtstagskaffee mit der angeheirateten Familie getoppt.
Ich brauche nicht ins ferne Texas zu reisen. Dallas befindet sich direkt vor meiner Haustür. Wenn die ganze Sippe zur geladenen Familienfeier einfällt, verwandelt sich unser kleines Reihenmittelhaus in die Southfork Ranch.
Als Bernd mich vor zehn Jahren feierlich in die Dynastie der Besserwisser und Einmischer einführte, begriff ich, wie Pamela sich in all den Jahren gefühlt haben muss. Ausgegrenzt und gepisackt von J.R., verspottet von Sue Ellen, während der naive Bobby ihr immer wieder in den Rücken fiel, auf die Lügen seines Bruders reinfiel und unfähig war das eiserne Familienband zu durchschneiden. Selbst Bruder Cliff war Pamela keine Hilfe. Eigentlich ein Wunder, dass sie es mit Bobby so lange aushielt.
Seit der Hochzeit vor acht Jahren, bin ich offiziell auch Mitglied einer Seifenoperfamilie. Ich hätte nie gedacht, dass es die Ewings live und in Farbe bis zu uns nach Europa schaffen.
Da hätten wir als erstes meinen Schwiegervater Heinrich, alias Jock, Oberhaupt der Familie und Oberstudienrat außer Dienst. Der „Oberstudienrat außer Dienst“ ist ihm enorm wichtig. So wichtig, dass er sämtlichen Schriftverkehr mit „Heinrich Heiermann, Oberstudienrat a.D.“ unterschreibt, einschließlich der Weihnachtskarten und Geburtstagswünsche an Freunde und Verwandte. Den Oberlehrer hat er bis heute nicht abgelegt. Er quält uns bei jeder Zusammenkunft mit seinen alten Schulgeschichten. Highlight der Abende sind dabei die aufgewärmten Geschichten
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