Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
verzückt, wie pflichtbewusst meine Tochter darauf bestand, ihn einzuladen.
„Mama, ich bin Patin. Ich muss Julius einladen.“
„Natürlich mein Schatz, wenn du das willst.“
Also haben wir ihn eingeladen, obwohl er ganze zwei Jahre jünger als der Rest der geladenen Kinder ist.
Fest an seine Mutter geklammert, steht er in seinem Piratenkostüm vor der Tür und weigert sich ins Haus zu kommen.
„Es ist sein erster Kindergeburtstag“, entschuldigt sich Frau Jagemann und versucht ihn über die Schwelle zu schieben. Julius stemmt beide Arme gegen den Türrahmen, macht sich steif und brüllt.
„Ich will nicht.“
„Aber Julius, die Sara freut sich doch so auf dich. Sara, komm doch mal, dein erster Gast ist da.“ Ich bemühe mich mit ganzer Kraft sein Vertrauen zu gewinnen, gehe in die Knie und lasse meine Stimme sanft wie Seide klingen.
„Du bist ja ein toller Pirat und so einen tollen Säbel hast du dabei. Magst du nicht reinkommen und ihn uns zeigen?“
„Nein“, schreit er und weicht zurück.
Ich scheine in meinem Kostüm nicht gerade Vertrauensseelig rüberzukommen.
Sara ist keine große Hilfe, sie nimmt Frau Jagemann das Geschenk ab und stürzt sich dann auf ihre Freundin Celina, die inzwischen auch angekommen ist. Ich bitte Frau Jagemann in die Küche, schiebe ihr einen Stuhl unter den Hintern und versichere, dass es „überhaupt kein Problem ist“ wenn sie noch etwas bleibt.
Nach und nach treffen auch die restlichen Kinder ein. Sara hat, neben Julius und Celina, noch Johanna und Lisa-Marie aus dem Kindergarten sowie Laura und Kristin aus ihrer Kinderturngruppe eingeladen.
„Du siehst ja heiß aus“, versichert mir Steffi, Lauras Mutter und zieht beim Anblick von Linda irritiert die Augenbrauen hoch.
„Das ist die weiße Frau. Es war verdammt schwer sie zu engagieren.“
Warum kann sie sich nicht, verdammt noch mal, einfach eine Jacke überwerfen?
„Als weiße Frau sorge ich dafür, dass hier alles läuft. Kinder die nicht spuren, werden von mir höchstpersönlich im Keller eingesperrt.“
Julius, der in Hörweite sitzt, fängt wieder an zu heulen. Seine Mutter macht ein säuerliches Gesicht.
„War doch nur Spaß, Schätzchen.“ Linda geht einen Schritt auf ihn zu und streckt beruhigend ihre Hand aus, was bei Julius so überhaupt nicht ankommt. Abwehrend schlägt er um sich und brüllt. Frau Jagemann schlingt beschützend die Arme um ihren Liebling, dann steht sie auf und teilt mit, dass es wohl keinen Sinn macht zu bleiben.
„Ein Kindergeburtstag soll ja Spaß machen“, meint sie entschuldigend und vorwurfsvoll zugleich.
„Schade, wirklich schade. Möchten sie nicht wenigstens einen Stück Kuchen mitnehmen?“, frage ich und halte ihr die mit roter Lebensmittelfarbe eingefärbte Sahnetorte unter die Nase. Auf die Deko bin ich besonders stolz. Ich habe Weintrauben in Litschis gesteckt und drum herum etwas Vanillepudding gegeben. Sara findet die Augäpfel mit Eiter super, aber für den sensiblen Julius ist das wohl nichts. Er schüttelt entsetzt den Kopf und auch Frau Jagemann weicht angeekelt zurück.
Ich bin mir nicht sicher, ob Sara weiterhin die Patin für Julius bleiben wird. Dabei würde dem kleinen, weichgespülten Liebchen meine bodenständige und furchtlose Sara nur gut tun.
Sara verabschiedet Julius emotionslos und auch ich bin ein klitzekleines bisschen froh, dass sie weg sind und meinen Zeitplan nicht weiter strapazieren.
„Na, dann wollen wir mal loslegen. Wer möchte ein Stück Kuchen mit Eiteraugen?“, eröffne ich die Geburtstagstafel.
Mein Plan geht auf. Alles läuft super, nur die kleine Lisa-Marie nervt mal wieder. Lisa-Marie, Miss Marple in Miniaturausgabe, verfolgt mich auf Schritt und Tritt und wird nicht müde in einer Tour alles zu hinterfragen und rumzustänkern:
„Was ist das?“
„Kartoffelsalat.“
„Und was ist da drin?“
„Kartoffeln.“
„Da ist aber was Grünes.“
„Das sind Gurken.“
„Ich mag keine Gurken.“
„Dann pickst du die eben raus.“
„Und wo ist die Fleischwurst?“
„Da ist keine Fleischwurst drin.“
„Meine Mama macht da immer Fleischwurst rein.“
„Ich aber nicht.“
„Dann mag ich das nicht essen.“
Lisa Marie mag die rote Sahnetorte nicht essen, auch nicht die Frikadellen und erst recht nicht die hexengrün gefärbten Muffins. Der Keller ist nicht gruselig genug, die Gummispinnen an der Wand zu albern, die kleinen Plastik Kakerlaken auf dem Boden ekelig.
Weitere Kostenlose Bücher