Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
hast du recht, wirklich köstlich.“
Wie schön, dass wenigstens meine Familie ganz normal ist. Ich wusste schon immer, dass die Barnes einfach die besseren Gene haben.
Time of my life
Gehetzt öffne ich die Tür zum Pony, meiner Stammkneipe aus Jugendzeiten, die es auf nebulöse Weise geschafft hat in all den Jahren den Wirtschaftskrisen zu trotzen.
„Na endlich. Den Film können wir jetzt ja wohl vergessen. Ich hab schon einen sitzen. Lass uns gleich Abrocken gehen. Im Southwest ist eine 80er Party.“ Meine Freundin Linda ist schon etwas angeschickert.
„Bernd war wieder so spät zuhause. Der wievielte Caiphi ist das?“, inspiziere ich kritisch ihr leeres Glas. Das kann ja heiter werden. Ich muss morgen wieder früh raus. Kinder kennen kein Wochenende.
„Das dritte vielleicht. Wenn du mich auch hier so lange warten lässt.“
Ich setze mich auf die schwarze Lederbank und winke die Kellnerin heran. Ein junges Size Zero Ding mit albernen Zöpfen stellt sich gelangweilt mit ihrem elektronischen Notizblock an unseren Tisch.
„Was haben sie denn an alkoholfreien Cocktails?“, erkundige ich mich freundlich.
Size Zero angelt nach der Getränkekarte vom Nebentisch und wedelt damit vor meiner Nase rum. „Steht alles in der Karte.“
„Alkoholfrei? Du spinnst wohl. Wir nehmen noch zwei von den guten Caiphis“, ordert Linda.
„Einen trink ich mit, aber dann ist genug. Ich muss morgen früh raus. Die Kinder…“
„Können doch auch mal von deinem wichtigen Herrn Unternehmsberater versorgt werden, oder? Hast du keinen Rechte mehr?“
Jetzt geht das wieder los. Ich winke ab und bin froh, als nach fünf Minuten Dauermonolog über „eigenes Leben jenseits des Muttertieres“ und „sich auch mal was gönnen“ die Caiphis vor uns abgestellt werden. Ich ergebe mich, schlürfe an meinem Lieblingsgetränk und stochere immer wieder zwischendurch kraftvoll mit dem Strohhalm auf den Eisbröckchen rum.
„Ich könnte das ja nicht, so fremdbestimmt zu Hause sitzen und darauf warten, dass irgendein Typ mich ablöst. Und dann immer nur Haushalt und die Kinder. Willst du eigentlich gar nicht mehr arbeiten gehen?“
Jetzt fängt sie schon wieder an. Linda versteht mein Leben nicht. Sie weiß nicht, wie das ist, wenn man fünf Nächte hintereinander nicht durchgeschlafen hat, weil ein Kind krank ist.
„Ich gehe wieder arbeiten, wenn Sara in der Schule ist und sich alles eingespielt hat. Jetzt hat es noch Zeit. Wir leben ja ganz gut.“
„Ob dich dann noch einer nimmt? Du bist schließlich schon ein paar Jährchen draußen.“
„Ich bin nur in Elternzeit und habe einen Job. Ich kann theoretisch nächstes Jahr wieder arbeiten.“
Genervt ziehe ich an meinem Strohhalm und frage mich, ob mein Sofa, abgeschminkt, im Jogger, die Füße hochgebettet in Wohlfühlsocken, Schläferchenwein in der Hand und Wärmflasche im Rücken, nicht die bessere Alternative gewesen wäre.
Eigentlich bin ich mir selber nicht sicher, ob Brandt & Sohn KG sehnsüchtig auf meine Rückkehr wartet. Die ersten zwei Jahre meiner Elternzeit enthielten die Weihnachtskarten noch persönliche Widmungen. „Liebe Frau Heiermann, wir freuen uns sehr über die Geburt ihrer kleinen Tochter und hoffen, dass sie bald zu uns zurückkehren werden.“ Im vorletzten Jahr gab es nur noch die vorgedruckte Weihnachtskarte ohne Widmung, nur mit der gekrizzelten Unterschrift des Geschäftsführers versehen. Zur Weihnachtsfeier wurde ich auch nicht eingeladen.
„Ich lasse mir in zwei Wochen die Knie absaugen“, meint Linda ganz beiläufig, so als hätte sie gesagt „eventuell kauf ich mir eine neue Bluse“.
„Ist nicht dein Ernst.“
„Du hast wohl noch keinen Kniespeck, was? Pass auf, das kommt noch. Spätestens in drei Jahren rutscht das bei dir auch alles nach unten. Nicht nur der Busen unterliegt der Schwerkraft. Stellen, von denen du nicht mal geträumt hast, werden bei uns jetzt langsam versuchen den Boden zu küssen. Du bist ja unter der Haube, aber ich als Single muss meinen Marktwert halten.“
„Ich habe keinen speziellen Kniespeck, das geht inzwischen bei mir in einer Tour runter.“ Nachdenklich befühle ich meine Stirn. „Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, wie tief meine Zornesfalte ist?“, frage ich mutig und ziehe die Augenbrauen zusammen. Ich warte auf Lindas entsetztes „Nein, wo denn?“ und ihre Versicherung, dass das alles noch ganz ordentlich aussieht. Stattdessen nur bestätigendes
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