Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
ihnen doch den Spaß.“
Auf Hochzeiten reagiert Linda seit der Sache mit ihrem Exfreund wie auf Birkenpollen. Fast vier Jahre war sie mit Markus zusammen. Sie lebten in getrennten Wohnungen, weil er beide Wohnungen zu klein für zwei Personen fand. Linda studierte jeden Samstag die Kleinanzeigen und schleppte ihn zu unzähligen Wohnungsbesichtigungen. Aber keine Wohnung war ihm gut genug.
„Er hält nichts von der Ehe und mit Kindern hat er es schon gar nicht“, verteidigte sie ihn, wenn die üblichen Nachfragen kamen. „Wir müssen ja nicht das gleiche spießige Programm abziehen wie der Rest der Welt mit Kinder, Haus und Hochzeit. Wird doch sowieso jede dritte Ehe geschieden.“
Und dann, wie aus heiterem Himmel, machte er wegen einer anderen Schluss. Die Neue hatte wohl ein besseres Händchen für Kleinanzeigen. Schon nach zwei Monate zog er mit ihr zusammen. Ein halbes Jahr später traf ich ihn mit seiner hochschwangeren Freundin in der Stadt. Er war der glücklichste werdende Vater der Welt. Stolz ließ er mich einen Blick in seine Baby Walz Tüte werfen, rupfte Spucktücher, Kuschelbärchen und Mini-Strampler heraus und besaß die Unverfrorenheit Linda ganz liebe Grüße auszurichten.
Nach der fünften Caipirinha bin ich willig, ins Southwest überzusiedeln, obwohl mir nach dem dritten Drink bereits schlecht war.
„Komm da hinten ist der Taxistand“, brüllt Linda gegen den pfeifenden Wind und den Platzregen an.
Mit kleinen Ballettschrittchen renne ich auf Zehenspitzen über die Straße zum Taxistand. Eine andere Technik kenne ich nicht. Die Junggesellinnentruppe ist zeitgleich aufgebrochen und uns dicht auf den Fersen. Jenny, die Braut, kann zwar k aum noch stehen, aber Kati und Klaudi haben sich jeweils rechts und links untergehackt und schleifen die Braut über die Straße. Der kräftigen Klaudi hat man den Bauchladen überlassen.
„Beeil dich“, feuert Linda an. „Da stehen nur noch drei Taxen.“
„Ich kann nicht mehr“, pruste ich und versuche die Seitenstiche zu ignorieren. Es fühlt sich wie der verhasste 75 Meter-Lauf bei den Bundesjugendspielen an, wenn meine Mitschüler leichten Schrittes an mir vorbeizogen und ich, wie jedes Jahr, statt Ehren- oder Sieger- lediglich eine Teilnehmerurkunde erhielt.
Die klackernden Schritte direkt hinter mir, spornen mich zu Höchstleistungen an. Ich gebe alles. Die werden mich nicht überholen, fünfzehn Jahre jünger hin oder her. Der Generationslauf ist eröffnet. Heute hole ich den Sieg. Verbissen tippele ich weiter, überhole Linda in ihrem viel zu engen Rock.
„Ich mach das“, brülle ich im Vorbeilaufen. Der Regen peitscht mir ins Gesicht.
„Au“, jault Linda plötzlich laut auf.
„Was ist?“
„Ich bin umgeknickt“, jammert sie. Ich stoppe. Ein Fehler! Die dürre Melli läuft an uns vorbei und hat den Taxistand schon fast erreicht. Ein letztes Mal blickt sie sich triumphierend um, winkt ihrer Bande zu und schmeißt sich in das erste Taxi. Dieses Miststück.
Linda reibt sich den schmerzenden Knöchel. „Los, schnapp dir das andere.“
Ich raffe meine letzte Energie zusammen und renne.
„Oh. Tschuldige. Hier ist es so rutschig“, heuchelt Mariechen, drängt mich zur Seite und ehe ich mich versehe, werde ich von dem gesamten Gegnerteam überholt. Wieder nur Teilnehmerurkunde! Die Meute teilt sich auf die Autos auf und lässt die Frauen mittleren Alters schon wieder alt aussehen.
„Au, mein Knöchel. Ich glaube mein Absatz ist lose. Diese doofen Tussen. Jetzt stehen wir hier.“ Linda humpelt, mir läuft die Nase. Erneut habe ich die Vision meines warmen weichen Sofas vor mir, mit oder ohne schnarchenden Bernd drauf. Mir schon egal, Hauptsache raus aus den hohen Hacken.
„Sollen wir nicht lieber nach Hause fahren? Wir sind doch jetzt schon total durchnässt.“
„Nach Hause? Der Abend hat erst angefangen. Du kannst mich jetzt nicht im Stich lassen“, erwidert Linda drohend. Sie bestellt per Handy ein Taxi und wir stellen uns in einem Hauseingang unter. Fröstelnd reibe ich meine Arme.
Nach geschlagenen zehn Minuten kommt das Taxi. Vor dem Southwest steht eine Megaschlange. Linda lässt den Taxifahrer bis vor den Eingang fahren und versucht elegant auszusteigen. Der rote Teppich fehlt, von Glamour ist bei uns seit Stunden keine Spur mehr und auch der Ausstieg in Lindas engen Rock, sieht alles andere als gekonnt aus.
Brav stellen wir uns hinten an. Der Türsteher lässt zwischendurch
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