Meine Frau will einen Garten
rheinischen Karneval erinnert, was ihr aber trotzdem sagenhaft gut steht. Nach dem Umzug, den wir in der Maximilianstraße erleben, fahren wir zu unserer Lieblingsstelle im Englischen Garten. Dorthin, wo in der Nähe der Chinesische Turm steht, dazu der Biergarten, dorthin, wo in der Nähe der Monopteros als Tempelchen ein bisschen Griechenland spielen darf und daran erinnert, dass München immer dann am schönsten ist, wenn es versucht, eine andere Stadt nachzuahmen, zum Beispiel Athen.
Die Trommelspieler und Nacktbader sind nicht zum Eisbach gekommen - wahrscheinlich, weil es dafür schon ein bisschen zu kühl ist. Alles ist perfekt. Also gönne ich mir eine Maß, hole sie im Biergarten beim Chinesischen Turm mit dem Fahrrad und fahre zurück zu unserem Picknickplatz. In dieser Situation begegne ich der südkoreanischen Reisetruppe, die mich begeistert abfilmt und fotografiert. Sie halten mich vermutlich für den München-Trachten-Bier-Botschafter. Mir ist das eine Ehre, und deshalb lache ich so gut ich kann in die Kameras.
Es ist einer der schönsten Ausflüge, die wir je gemacht haben. Und typisch für ein urbanes Innenstadtleben, weil man von der Ismaninger Straße mit dem Fahrrad nur ein paar Minuten bis zum Park braucht.
Allerdings weiß ich, dass das alles nicht stimmt. Dieser Ausflug, deshalb erinnere ich mich ja so gut daran, ist die Ausnahme, auch wenn halb Südkorea glaubt, dass Münchner dauernd so leben. Das stimmt nicht.
Der typische Ausflug ist stattdessen ein Ausflug, der potenziell mit Scheidungsanwälten und greinenden oder weinenden oder sehr ungut in sich gekehrten Kindern endet. Das gilt zumindest für die Ausflüge, die nach einem harten Winter in der ersten Frühlingssonne stattfinden.
So wie an einem Tag Ende März. Es ist ein Tag nach einem harten, dunklen und langen Winter in einer zunehmend kleiner und muffiger werdenden Wohnung. Wohnungen schrumpfen im Winter wie Pullover, die zu heiß gewaschen werden. So fühlen sie sich auch an, die Wohnungen: eng und auf der Haut klebend. Die Schuld liegt nicht beim Winter, nicht bei der Wohnung und nicht bei der Waschmaschine. Schuld ist die Sehnsucht.
Man will raus. Es ist Samstag. Pia und ich führen ein Heer von Klimaflüchtlingen an. Schon die ungeheure Vorfreude am Freitag, unterlegt von einem Wetterbericht zur Tagesschau, der vom ersten warmen Frühlingswochenende spricht, legt nahe, dass einiges schiefgehen wird. Das liegt auch daran, dass die Logistik eines solchen Unternehmens eine gigantische Herausforderung darstellt. Vergleichbar vielleicht mit dem Aufmarsch der Alliierten vor Bagdad.
Es ist halb zehn, wir haben gut gefrühstückt, vielleicht ein bisschen zu lang, und wie bei fast allen Deutschen geht mein Blick sorgenvoll zum Himmel. »Hält das?«, frage ich. Und Pia antwortet: »Na klar. Mach dir keine Sorgen. Und wenn schon: Dann pack halt die Regenklamotten dazu. Warum packe eigentlich immer ich die Ausflugssachen?«
Dieser Dialog ist die erste Regenwolke - aber noch nichts gegen den Tsunami der gegenseitigen Vorwürfe, der noch folgen wird.
Natürlich packt immer sie. Erstens, weil sie das besser kann. Ich bin zwar gut in der Planbewirtschaftung des Kofferraums, aber sie weiß einfach besser, was wir mitnehmen müssen. Pia, das sage ich voller Bewunderung, ist sogar ein Genie des Weniger-ist-mehr-Packens. Man kann meine Frau wecken, um fünf Uhr früh, unvorbereitet, und ihr sagen: »Überraschung, wir fahren in die Ferien, und zwar gleich.« Meine Frau würde antworten: »Gib mir zwei Minuten.« Ich selbst muss mich tagelang vorbereiten, sobald eine Dienstreise nach Duisburg ansteht.
Deshalb packt meistens Pia. Und ich stehe daneben und finde, dass alles zu langsam geht. Endlich sind wir an der Tür. Dabei sind: die Hängematte, die Julia zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, ein Picknickkorb, eine Frisbeescheibe und drei verschiedene Fußbälle in drei verschiedenen Größen und Härtegraden. Anton ist da sehr eigen, und eigentlich will er ja auch gar nicht Fußball spielen, aber ich will mir später nicht
vorwerfen lassen, dass seine Karriere bei Barca oder ManU am mangelhaften Equipment gescheitert ist.
Aber das ist es noch lange nicht: Dabei sind die Zeitung und zwei dicke Bücher, dabei ist ein Federballspiel, das tags zuvor billig aus dem Supermarkt mitgenommen wurde, dabei ist Sonnencreme (eine für Kinder und eine für Erwachsene, also eine zum Sprühen und eine zum Schmieren), denn die Haut nach dem Winter ist
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