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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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zum Himmel und sage auch nichts. Dann kommt Julia, und ich sage scharf zu ihr: »Kommst du auch schon, ja?«
    Das ist ungerecht. Julia schaut erschrocken zu Boden, und ich könnte heulen, habe aber zu viel damit zu tun, wütend auf Pia zu sein. Warum, weiß ich nicht genau, was mich noch wütender macht. Endlich fahren wir los. Anton stürzt bei der ersten Kreuzung. Er weint, wir schweigen.
    Wir radeln durch den Englischen Garten. Die Stimmung ist am Boden. Trotzdem sehen wir aus wie eine glückliche Entenfamilie: Papa vorneweg mit Anhänger und dem Kleinen, dann die größeren Kinder mit ihren Rädern, dann Pia als Begleitschutz. Spaziergänger lächeln uns an. »Wenn ihr wüsstet«, denke ich. Die Stimmung wird nicht besser, als sich zeigt, dass praktisch unter jedem Baum im Englischen Garten, der zu den größten Parkanlagen der Welt gehört, ein blasshäutiger Münchner Innenstadtbewohner hockt, um endlich mal ein bisschen Sonne abzubekommen. Wir fahren
endlos lang, um einen halbwegs akzeptablen Platz zu ergattern, geeignet für die Hängematte, in die ich mich gleich mal lege. Max sagt, er muss aufs Klo. Das kann ich aber nicht hören, weil der Platz nun nahe am Mittleren Ring ist und sich exakt so anhört wie unsere Wohnung an der lauten Ismaninger Straße. Das macht aber nichts. Denn jetzt fängt es an zu regnen. Wir packen alles wieder zusammen und fahren nach Hause. Ins Haus der achtundachtzig Stufen.

    Am nächsten Morgen, am Sonntag, liest mir Pia aus der Zeitung vor. Wir liegen wunderbarerweise noch im Bett, während aus den Kinderzimmern irgendwelche - im Grunde natürlich sehr alarmierende - Elektrogeräusche zu hören sind, die wir aber in einer lebensbejahend aufflammenden Eltern-Egozentrik geflissentlich überhören.
    Das Vorlesen hat sich seit einigen Wochen als Morgenritual entwickelt, wobei der Schwerpunkt der Lektüre, wie mir schon längst klar ist, auf einer pro-randstädtischen Vorort-Wohn-Argumentation inklusive Gartenbeschwörung liegt. Die Zeitungen drucken heutzutage ja auch wirklich alles.
    Zum Beispiel: »Parkplatz gesucht - fünfzehn Autos demoliert«. Liest Pia vor. Ich will Genaueres wissen. Sie: »Kann man sich ja denken.«
    Ich: »Was denken?«
    Sie: »Es gibt eben keine Parkplätze. Typisch Innenstadt.«

    Über sie hinweg grapsche ich nach der Zeitung. Früher hätte das vielleicht zu einem kleinen Spielchen unter Erwachsenen geführt, aber so etwas lenkt jetzt nur von der Immobiliensuche ab. Deshalb bekomme ich statt meiner Frau nur die zerknitterte Zeitung in die Finger. Ich lese laut: »Auf der Suche nach einem Parkplatz hat ein 30-jähriger Münchner am Montag in Sendling fünfzehn Autos demoliert.«
    Pia sagt: »Das kann ich gut verstehen.«
    Ich lese weiter: »Eine Parklücke hat der Mann nicht gefunden, und so schnell wird er auch keine mehr suchen: Denn die Polizei stellte wegen Trunkenheit am Steuer (laut Alkomat 1,2 Promille) den Führerschein sicher.«
    »Besoffen war der Kerl«, sage ich, »wahrscheinlich gab es einen Parkplatz vor dem Haus, in den auch die Fähre von Moby-Line, die täglich von Livorno aus Sardinien ansteuert, gepasst hätte. Süße, der Mann war nur betrunken. Es gibt gar kein Parkplatzproblem in der Innenstadt.«
    Pia: »Gibt es wohl. Deshalb trinken ja auch so viele Menschen. Kann man verstehen.«
    Das mag ich an ihr, sie gibt nie auf.
    Dann sagt sie: »Ist ja auch egal, aber hier, hier steht was wirklich Interessantes. Im Vermischten.« Sie liest gerne das Vermischte. Ich lese den Leitartikel, die Sportberichte, die Aktienkurse und dann etwas aus dem Feuilleton, was kein Mensch versteht, aber gut klingt.

    Sie liest den Titel vor: »Am Ende treibt dich nur noch der Wille«. Dann den Untertitel: »Eine Trainingseinheit mit Thomas Dold, Deutschlands erfolgreichstem Treppenläufer«. Und dann zitiert sie aus dem Text: »Erst brennen die Schenkel, dann muss man husten, dann breitet sich ein seltsam metallischer Blutgeschmack im Mund aus. Plötzlich ist jede Kraft einfach weg. Und man weiß: Oma hatte doch nicht Recht mit ihrem Satz ›Nimm die Treppe, das ist gesund‹. Es sei denn, man heißt Thomas Dold.«
    »Finde ich interessant, diesen Thomas Dold«, sagt Pia und stopft sich das Kissen im Rücken zurecht.
    Thomas Dold. Soso.
    »Hmm«, sage ich und gebe mir Mühe, das Hmm wie ein müdes Achselzucken klingen zu lassen, »was macht denn dieser fabelhafte Treppenläufer? Läuft Treppen, oder was?«
    »Genau wie ich«, sagt Pia. Das stimmt nicht ganz:

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