Meine Frau will einen Garten
irritierend. Bis heute meide ich Gruppen, solange es sich dabei nicht um meine eigene Familie handelt. Dass Kinder aufhören zu tuscheln, sobald man im Türrahmen steht als Erziehungsberechtigter, erscheint mir nicht irritierend, sondern familienerhaltend.
Meine kurze WG-Ära hat mich jedenfalls so geprägt, dass ich seither, wenn die Gruppenbildung unausweichlich wird, immer sofort einen zentralen Platz einnehme. Nach Möglichkeit in der Küche. Dann bin ich laut und fröhlich. Aus Furcht vor einem irritierenden Schweigen. Die Gruppe und ich - das ist oft ein Missverständnis.
Zum Beispiel wurde auf einer Party mal ein Joint herumgereicht. Als die Reihe an mir war, nahm ich das Ding und paffte es sozusagen durch. Ich dachte, es wäre eine Zigarette, und wollte mir keine Blöße geben. Ich bin Nichtraucher.
Genau wie damals an Weihnachten in der Kirche am Niederrhein. Ich saß so abseits wie möglich vom Geschehen, um nicht weiter aufzufallen. Ich döste etwas. Der Rest meiner Familie saß vorne. Die Familie meines Schwiegervaters legt seit jeher Wert auf gute Plätze, insbesondere auch dann, wenn es um die Ewigkeit geht. Mir selbst ist weder die Ewigkeit noch die Etikette in Kirchen geläufig. Deshalb hat mich das Folgende überrascht:
Da dreht sich doch mitten im Gottesdienst ein Mensch mit hektischen Gesichtszügen zu mir um und starrt mich mit riesengroßen Augen intensiv an. Seine Hand schwingt auf mich zu und zieht den Arm, ja eigentlich den ganzen Kerl wie eine gigantische Friedensbewegung hinter sich her. Der Pfarrer hatte soeben gesagt: »… so geben wir uns denn ein Zeichen des Friedens.«
Das aber hatte ich nicht gehört, das kannte ich auch gar nicht. Ich dachte, einem Mann, der so hektisch zu mir herumfährt, muss wohl schlecht sein, der muss bestimmt raus, um sich zu übergeben. Also springe ich auf und mache Platz. Der Mann hält inne und sieht mich so erschrocken an, als sei er Luzifer begegnet, dem prominenten Friedenszeichenverweigerer. Die ganze Gemeinde sah zu mir hin. Peinlich. Mit der Baugruppe war es auch schwierig.
Baugruppen sind der letzte Schrei. Der Schrei nach modernen und ideenreich gestalteten Wohnungen, die dieser betonkonservative deutsche Immobilienmarkt einfach nicht anbietet. Baugruppen sind eine Art Guerillabewegung: Private Bauherren, Amateure also, fordern die Profis aus der Immobilienwirtschaft heraus.
Denn die Profis bauen immer die gleichen Wohnungen mit den gleichen Grundrissen und den gleichen achteckigen Marmorimitatbadewannen zu den immer gleichen überteuerten Preisen. Fast immer jedenfalls. Manchmal aber wollen die Amateure ganz andere
Wohnungen, mal größere, mal kleinere. Deshalb tun sie sich zusammen, um den Kampf um teure, innerstädtische Grundstücke aufzunehmen.
Baugruppen, BGs, entstehen überall, und Städte wie Berlin oder Braunschweig fördern das. München nicht. München muss den Wohnungsbau nicht fördern, weil jeder Unterstand, der vor Regen schützt, in München als topsanierte Bestlage zu Höchstpreisen in Minutenschnelle an flehende Bittsteller vermietet, verpachtet oder verkauft werden kann. Grundstücke in München sind daher so teuer, dass man schon Donald Trump heißen sollte, um auf diesem Markt mitzuhalten. Eine Baugruppe, die hier auf ein billiges Grundstück hofft, um darauf den gemeinschaftlichen Traum kommunardenhafter Du-find-ich-auch-Architektur zu errichten, ist also schon vom Grundsatz her eine relativ satirische Angelegenheit. Was ich natürlich reizvoll finde. Denn damit komme ich Pia entgegen - ohne ein allzu großes Risiko einzugehen, dass daraus auch etwas werden könnte.
Baugruppen sind die Fortsetzung der Kommune 1 mit baulichen statt mit politischen Mitteln. Sie müssen keineswegs naiv, sexsüchtig oder bekifft sein. Verkratzte Amon-Düül-II-Schallplatten sind ja auch noch kein Ausweis eines höheren Wohnwertes. BGs sind eher emanzipatorische Weiterentwicklungen von WG-Modellen früherer Zeiten, die mittlerweile gerne darauf verzichten, als Zeichen gegen bürgerliche Konventionen die Klotüren auszuhängen. Eigentlich sehr sympathisch.
In der BG treffen sich hauptsächlich Menschen zum Wohnen, die es sich allein nicht leisten können oder wollen. Das ist eher ein pragmatischer Ansatz. Man teilt sich heute eben lieber ein Glasfaserkabel statt eines verschwiemelten Marmeladenglases ganz hinten im Kühlschrank. BG-Bewohner haben natürlich alle ein eigenes Glas im je eigenen Kühlschrank. Aber sie teilen immer noch sehr
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