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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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Aufenthalte in transitorischen Zwischenwelten dazu, also das Warten an der Bushaltestelle, das Warten im Flughafenterminal, das Warten am Bahngleis und das Rasten in der Raststätte, so ergibt sich pro Leben: zehn Jahre, so ungefähr.
    Zehn Jahre! Vaterstetten soll mich zehn Jahre kosten! Zehn Jahre Knast, so viel kriegt man für den verbotenen Besuch eines Terrorcamps! Früher gab es Wallfahrer, Kreuzritter, Entdecker oder einfach Abenteurer. Jetzt gibt es Pendler und Vorortbewohner. Ich will das nicht!
    Pia sagt: »Du nervst.« Sie steigt mit den Kindern aus und geht auf das Haus zu. Ich folge, ich will hier kein Aufsehen. Wer weiß, wie diese Leute mit den Rasenmähern ticken. Am Ende kriegen sie meinen Pendlerbericht in die Hände, und dann tobt der suburbane Mob und zündet fremdgeparkte Autos an. Das Haus ist eine DHH, eine Doppelhaushälfte, die in der mir
sonst unerklärlichen Rangfolge der Häuser zwischen EFH (Einfamilienhaus) und REH (Reihenendhaus) angesiedelt sein müsste. Zu schweigen vom RMH, vom Reihenmittelhaus. Die Garage ist prächtig. Ich werfe einen Blick hinein und sehe, dass sie vom Eigentümer liebevoll tapeziert wurde.
    Pascal fand schon im vergleichsweise Suburbia-armen 17. Jahrhundert heraus, dass »alles Unglück der Menschen einem entstammt, nämlich dass sie unfähig sind, in Ruhe allein in ihrem Zimmer bleiben zu können. Kein Mensch, der genug zum Leben hat, würde sich, wenn er es nur verstünde, zufrieden zu Hause zu bleiben, aufmachen, um die Meere zu befahren oder eine Festung zu belagern«.
    Das ist der Punkt. Der Pendler, der ein Haus irgendwo weit draußen vor der Stadt und dazu eine tapezierte Garage sein Eigen nennt, hat den Job in aller Regel weit drinnen: Er darf nicht zu Hause bleiben, kann aber auch nicht übers Meer fahren, um fremde Festungen zu belagern, sondern muss um acht Uhr früh übers Autobahnkreuz fahren, um das Vorzimmer seines Chefs zu belagern. Weil das Autopendeln wegen der irre werdenden Benzinpreise so teuer ist und immer teurer wird, dass er dringend eine Gehaltserhöhung braucht. Pascal hat Recht. Aber Pia behält Recht. Auch wenn sie mich ganz offenbar nicht nur an den Stadtrand, sondern auch in den Ruin treiben will. Sie klingelt.
    Während es im Haus seltsam rumort und Pia versucht,
Anton und Max, die ihre Wasserpistolen mitgebracht haben, zu entwaffnen, frage ich sie, ob es vermessen ist, wenn man mit dem Fahrrad oder zu Fuß in die Arbeit und zurück nach Hause fahren oder gehen möchte. Pia sagt müde: »Ja.«
    Die Tür geht auf. Eine Frau öffnet, grüßt und sagt stramm, dass meine Kinder bestimmt gerne im Vorgarten warten würden, während sie uns das Haus zeigt. »Und bitte Schuhe ausziehen. Sie rauchen doch nicht?«
    »Aber niemals.«
    Dann bringt sie uns in den Keller. Im Keller steht ein Fitnessparcours wie im Hotel. Vor dem Laufband ist ein Fernseher. Auch wie im Hotel.
    Dann öffnet sie einen Raum, den ich für den Heizkeller gehalten hätte, und sagt schwungvoll: »Das Schlafzimmer.« Mit herzförmigem Ehebett. Über dem Ehebett befindet sich eine Kinderschaukel. Auf die Schaukel hat der Mann dieser Frau einen monströsen Fernseher montiert und mit dicken Stricken umwickelt. Eben kommt er dazu, allgemeines Händeschütteln. »Ah so, Sie wollen also unser Haus kaufen. Na, gucken Sie mal, hier, da können Sie auch im Bett die Sportschau sehen.« Wir nehmen das Haus nicht. Das gilt auch für etwa zwei- bis zweihundertfünfzig andere Häuser. Im Garten hat Max während unserer Besichtigungstour ein paar Zweige geknickt. Die Frau fragt mich, ob ich gut versichert bin.

    Unsere wochenendlichen Besichtigungstouren machen aus mir bis zum Herbst einen Spezialisten für die Münchner Randbezirke und dazu noch einen intimen Kenner deutscher Kellerbaukunst. Denn der Keller ist der ganze Stolz des deutschen Hausbesitzers - und nicht das Wohnzimmer, wie man denken sollte.
    Es gibt auch Vertikalpools. Ein Haus, das ich wegen seiner Siebziger-Jahre-Architektur eigentlich ganz toll finde, hat einen Pool. Wegen des Pools ist es ziemlich teuer. Aus Platzgründen ist der Pool aber nur so groß wie eine Badewanne - und dafür tief wie ein Brunnen. Der Eigentümer erklärt mir: »Ich schwimme nicht so gerne. Wassertreten ist besser.« Ein anderer Hausanbieter hat auf seiner von allen Seiten gut einsehbaren Terrasse einen hölzernen Bottich stehen. Was das sei? »Das ist das Kaltbad. Härtet nach der Sauna ab. Gerade im Winter.« Skandalös, der Vorort.
    Jedes

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