Meine Frau will einen Garten
gern eine ganze Menge: die Dachterrasse, den Garten, den Hobbykeller, die Hausanschlussgebühren, das Gästezimmer, die BG-Ideologie und vielleicht ein kleines Arsenal an verblassten Pace-Fähnchen, die man vors Haus hängt, falls die Nato mal vorbeischaut.
So eine BG wollen Pia und ich gründen. Pia, um auf diesem Weg schneller zu einem Garten zu kommen. Ich, um auf diesem Weg einem Garten besser aus dem Weg gehen zu können. Außerdem finde ich Baugruppen aus stadtplanerischen Gründen extrem in Ordnung. Die bauen vor allem in den Städten, weil man sich dort, wo es teuer ist, logischerweise besser ein großes Grundstück und ein großes Haus teilt, um die Kosten klein zu kriegen. Diese Grundurbanität ist mir sehr angenehm.
So treffen wir uns abends um halb neun in einer alten Fabrik. Dort hat einer der potenziellen BGler, die wir mit einer Annonce und etwas Herumtelefonieren versammelt haben, so etwas wie ein Büro. Ein Büro, das schon von weitem klarmacht: Seht alle her, ich bin eine alte Fabrik und sehr kreativ. An der Uhrzeit, denke ich,
kann man schon sehen, dass der Kreative kinderlos ist. Ich gähne. Aber ich täusche mich. Er und seine Frau, eine hübsche Enddreißigerin namens Ulla, haben zwei davon. Und die, Finley und Stacy, sitzen auch dabei. Ich bezweifle, dass sie auch eine Baugruppe gründen wollen. Das ältere Kind ist acht Jahre alt, und Stacy krakeelt herum. Vermutlich will Stacy schlafen. Aber Ivan, der Kreative von der Fabrik, findet es wichtig, dass in seiner Familie basisdemokratisch entschieden wird. Also bleibt Stacy wach und krakeelt.
Wir sind insgesamt sieben. Jeder hat etwas zum ersten Treffen mitgebracht. Ich, um Pia und mir keine Blöße zu geben: einen gar nicht so üblen Chianti für zehn Euro. Ich halte mich persönlich für einen Meister im Aufspüren von Supermarktweinen um die zehn Euro, die grob unterschätzt sind. Wir stellen uns der Reihe nach vor. Der Mann neben Pia und mir sagt: »Wagner, Hansjürgen Wagner, Hansjürgen ohne Bindestrich.« Und dann, hallo, hier sei jetzt der Wein und ein Säckchen Tomaten, macht zusammen sieben Euro vierzig, geteilt durch sieben, das mache … oder wollen die Kinder auch? Tomate? Aber gut, man könne das ja auch später klären … In diesem Augenblick fasse ich nach Pias Hand. Die Frau auf der anderen Seite, die in dem dicken Pullover, eine Steuerberaterin, sagt, sorry, aber wir alle hätten hier was mitgebracht. Jetzt zur BG-Gründung schon abzurechnen, das sei einfach ungut, so psychologisch gesehen … Ich greife erneut nach Pias Hand. Am Ende des Tisches sitzt noch so ein Bürschchen
mit Ziegenbart und Bad-Hair-Styling. Er meint, er sei ja nur BWL-Student im vierten Semester, jetzt aber habe er geerbt und wolle investieren - und falls hier nicht alle das nötige Kleingeld hätten, er könne sich auch ein ganzes Haus vorstellen, das er dann an uns gerne vermieten würde, vorausgesetzt, wir könnten damit leben, dass München an Investoren heftige Ansprüche stelle, sodass die Miete angemessen sein müsste. Kurz darauf meint jemand zu mir: »Und du könntest schon mal das Protokoll übernehmen.« Pias Hand halte ich noch immer, aber fünf Minuten später bin ich draußen.
Typisch für unsere BG und die nächsten Treffen ist: Wir sprechen viel über rechtliche Dinge, oft über emotionale Dinge, meist über architektonische Dinge, immer über gesellschaftspolitische Dinge - aber nie über das Ding mit dem Grundstück. Keiner von uns hat eines an der Hand. Also geben wir eine Anzeige auf: keine Antwort. Weiter kommen wir nicht mit unserer Guerillataktik. Allmählich, und nach sehr vielen guten Gesprächen, verplätschert unser Versuch, sich als autonome Immobilienzelle den Münchner Bauträgern in den Weg zu stellen. Pia und ich fangen wieder damit an, den etablierten Wohnungs- und Häusermarkt zu studieren. Pia mehr. Ich weniger. Es ist Mai.
Die Wochenenden in diesem Sommer gehören zunehmend den Vororten. Das ist gar nicht mal so schlecht. Ohne diese Suche nach dem perfekten Haus würde ich
meine Stadt gar nicht wirklich kennenlernen. Jedenfalls nicht das, was man Stadtrand nennt. Und auch nicht dieses andere Phänomen, welches »Kreis München« heißt. Und würden wir die Makler, die sich gelegentlich einschalten, machen lassen, dann würde ich sicher noch einige Nachbarländer kennenlernen. Makler gehen mit dem Wort »zentral« extrem großzügig um.
Zentral in München gelegen wäre demnach auch die Lausitz, weil dort
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