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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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Türschild, das in den Farben von Hochsicherheitstrakten, also in Schwarz,
Gelb und Rot gestaltet ist, steht: »Eintritt strengstens verboten! Regeln sind auf den anderen zwei Schildern.«
    Auf Schild Nummer 2 steht: »1. Regel: Anklopfen wer rein möchte!« Auf Schild Nummer 3 steht: »2. Regel: Draußen bleiben wenn ich noch nichts gesagt habe.«
    Später will die Gräuliche von Julia wissen: »Na, Kleine, was wünscht du dir denn am allermeisten in Bezug auf das neue Haus?« Julia macht ein ernstes kleines Gesicht und will wissen, was »inbezug« heißt. Ich springe ein und übersetze: »Was du für ein Zimmer willst, Julia.« Sie antwortet: »Eines mit einem Schlüssel.«
    Es ist nicht so, dass unsere Kinder kein gutes Verhältnis zueinander hätten. Das hoffe ich jedenfalls.
    Anton ist sensibel und klug. Er bastelt gar nichts, sondern legt uns, Pia und mir, an diesem Abend je ein 50-Cent-Stück unter die Kopfkissen. Am nächsten Morgen erklärt er: »Damit ihr das Haus bezahlen könnt.« Mir hat er aus Legosteinen noch eine Figur konstruiert, die an den Friedensengel erinnert, den ich, wenn ich mich nur weit genug aus dem Fenster lehne, sehen kann. Anton sagt: »Weil du nicht aus München wegziehen willst. Zur Erinnerung.« Ich kämpfe mit den Tränen.
    Pia auch. Dann umarmen wir uns. Bis Max mit dem Ergebnis seiner Hausaufgabe dazwischenrumpelt: ein an Cy Twombly erinnernder schwarzer Karton, der zart chaotische Spuren weißer Kreide aufweist.

    Die Gräuliche verliebt sich in dieses Schwarz und sagt: »Sehr interessant. Ich sehe es schon vor mir.«
    Ich wage nicht zu fragen, was sie sieht.
    Interessant findet die Gräuliche auch, was Pia und ich zuwege gebracht haben.
    Wir sollten beide unabhängig voneinander in Stichpunkten festhalten, wie wir uns und unser Haus sehen würden. Ich ging dazu in die Küche, machte mir ein Glas Blaufränkischen zurecht und dachte ein paar Stunden nach. Pia setzte sich an den Computer, legte einen Ordner an und schrieb hinein, was sie sich wünschte. Nach zwei Minuten war sie fertig.
    Am nächsten Tag ist die Gräuliche auf ihrer Opernbaustelle in München. Wir treffen sie zum Mittagessen und zeigen ihr unsere Listen. Zuerst meine:
    Mauern.
    Hohe Mauern.
    Stein.
    Wenig Glas.
    Türen!
    Kein Wohnzimmer, nur große Küche.
    Viel Stauraum. Keller?
    Kein Stellraum.
    Kein Nippes.
    Auf keinen Fall Kamin!
    Keine Terrasse!
    Kein Grill.
    Garten wartungsarm: Kiesel?
    Bäume hoch - wegen Nachbarn.

    Keine Kinderspielgeräte (Kinder schon zu groß).
    Die Gräuliche macht ein ernstes Gesicht, sagt aber nichts und nimmt sich Pias Liste vor.
    Pia hat geschrieben:
    Offen.
    Total großzügig, Freunde, Feiern, großer Esstisch.
    Kamin, einen für drinnen und einen für draußen.
    Terrasse (groß), viel Glas, Holz.
    Warm.
    Viel Stellraum für schöne Dinge.
    Üppiger Garten mit Beeten, Bäumen, Sträuchern, Kinderspielgeräten, vor allem für die Kleinen.
    Kein Wohnzimmer.
    Die Gräuliche sagt: »Sie haben etwas gemeinsam: kein Wohnzimmer.« Sie neigt zur Ironie. Dann fragt sie ernst: »Und Sie sind wirklich entschlossen, ein Haus zu bauen?« Die Art, wie sie »ein Haus« betont, könnte einen auf die Idee bringen, sie würde lieber über zwei Häuser nachdenken.
    Das Geheimnis unserer Liebe ist uns, Pia und mir, wohl selbst das größte Rätsel. Vielleicht funktioniert unsere Ehe deshalb im Großen und Ganzen ganz gut. Obwohl ich mir eine Höhle bauen möchte - und sie sich ein Baumhaus. Vielleicht sind Baumhöhlen die Paarkonzepte der Zukunft.

    Die Gräuliche ist eine resolute Person. Eine nicht mehr ganz junge, aber attraktive Dame, die von sich selbst niemals als Architektin sprechen würde. »Ich bin«, sagt
sie, während sie Pia und mir bei unserem ersten Zusammentreffen ein tadelloses Lächeln schenkt, »Raumkünstlerin.« Ich habe spontan Angst vor ihr. Angst vor ihrem perfekten Kostüm, das nicht so schlicht ist, dass es langweilig sein könnte - aber auch nicht so raffiniert, dass es überambitioniert wirkt. Es ist schlicht perfekt. Perfekte Menschen verunsichern mich. Das Imperfekte ist mir lieber. Unwillkürlich sehe ich an mir herab, um rasch zu überprüfen, ob ich angemessen genug gekleidet bin. »Geht so«, denke ich, immerhin habe ich die guten Schuhe an.
    Die Raumkünstlerin führt uns selbst in ihr Büro am Hackeschen Markt. Wir sind extra zu diesem Termin nach Berlin gefahren. Pia fährt eigentlich immer gern nach Berlin. Ich selbst finde, dass kurz hinter Würzburg die

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