Meine Frau will einen Garten
passten exakt - und die Welt sprach von einem der schönsten Bauwerke, die jemals errichtet wurden.
Die Tragik dieser Figur berührt mich. Wahrscheinlich deshalb, weil normale Architekten von Selbstzweifeln oft so tragisch weit entfernt sind. Im Gegenteil. Es gibt eigentlich nichts Selbstzufriedeneres als einen Architekten. Finde ich. Pia sieht das ganz anders. Sie
sagt: »Du denkst in Klischees über Architekten. Aber die sind nicht so.« Ich denke in Klischees, meinethalben, aber ich bin nicht allein damit.
Vor ein paar Jahren gab es in den Kinos im Vorprogramm noch diesen großartigen Kinospot von McDonald’s, in dem ein Architekt einem jungen Ehepaar das fertige Haus zeigt. Er ist schwarz gekleidet, trägt einen Rolli und hat einen Topfhaarschnitt, der nur eines signalisiert: »Vorsicht! Unangepasste Kreativität!« Mit einer schnöselhaften Gestik und näselnder Stimme führt er das verunsichert wirkende Bauherrenpaar durch sein Werk. »Und hier«, sagt der Kreativtopf, »die Krönung: das Wohnzimmer.« Dabei reißt er die Tür auf, sodass die Kamera im Spot hineinfahren kann, um sich neugierig umzusehen. Das Ehepaar sieht: weiße Kacheln an der Decke, weiße Kacheln am Boden, weiße Kacheln an den Wänden, dazu Möbel aus weißen Kacheln.
Da endlich fasst sich die junge Frau ein Herz und fragt den Architekten: »Sagen Sie, ist das nicht, hm … ein bisschen, nun, ein bisschen … kühl?«
Der Architekt aber sagt: »Wenn Sie was Warmes wollen, dann gehen Sie doch zu McDonald’s.« Ende. Ein schöner Werbefilm. Es gibt ja viele kluge Bücher über Architekten. Aber ich finde, dass dieser Spot sehr erhellend ist. Pia findet das nicht.
Am nächsten Tag frage ich die Gräuliche am Telefon, ob sie den McDonald’s-Spot kennt. »Nein«, sagt sie, »Fastfood ist nichts für mich.« Dabei hört sie sich
streng an. Ich versichere ihr, dass ich so etwas fast auch nie anrühre. Ich will keinen Streit mit ihr. Der amerikanische Architekt Richard Meier, der immer als Stararchitekt beschrieben wird, hat seiner Mutter mal einen schweren Aschenbecher aus Kristallglas an den Kopf geworfen. Er besuchte sie in dem Haus, das er ihr entworfen hat, sah den Aschenbecher, den er nicht entworfen hat, fand ihn hässlich, und im Zorn über so viel Ignoranz schleuderte er ihn nach seiner Mutter.
Ich sehe die stählerne Schale auf dem erlesenen Sideboard neben dem erlesenen Tisch der Gräulichen vor mir und weiß Bescheid. Meine Fastfood-Tage sind gezählt. Alles andere wäre ungesund.
11. Kapitel, in welchem nach dem Scheidungsgrund Nummer 1 der Statistik (Kinder) und nach dem Scheidungsgrund Nummer 2 (Hausbau) noch ein dritter guter Scheidungsgrund von sich hören lässt: das perfekte Heim.
In unserer Wohnung, die meistens so aussieht, als sei sie das möblierte Gegenmanifest zum allgemeinen Schöner-Wohnen-Dogma, gibt es eine kleine Kammer, in der die Therme steht.
Sie stammt aus der untergegangenen und von der Badezimmer-Evolution hinweggespülten Ära der primitiven Nasszellen, in der man zum Brausekopf »Brausekopf« sagte statt zum Beispiel »Relexa« oder »Sinfonia«.
Die Kammer ist ein Relikt. Ich mag Relikte. Besenkammern, Wäschekammern und Kammerdiener gibt es kaum noch, weshalb Boris Becker Ende der neunziger Jahre in die Wäschekammer eines Londoner Hotels ausweichen musste, um etwas Nennenswertes für seine spätere, irgendwie an Goethe erinnernde Autobiografie »Augenblick, verweile doch …« zu erleben. Wobei das Nennenswerte Monate später auch wirklich beim Namen genannt wurde: Es heißt Anna. Ein hübsches rothaariges Kind.
Unsere Kammer wäre völlig ungeeignet für den mondänen Kammer-Eskapismus. Außerdem mag Pia solche Geschichten nicht. »Becker«, sagt sie, »war schließlich
verheiratet. So etwas tut man nicht. Arme Babs. Gut, dass sie ihn verlassen hat.«
»Ja«, stimme ich zu, »aber du musst zugeben, der Wäschekammer wohnt dennoch ein Zauber inne. Und er hat sie verlassen.«
Pias Antwort höre ich nicht mehr, weil der Satz untergeht im Donner der nahenden Tram. Erfahrungsgemäß würde ich auf »Blödsinn« tippen.
Das, was unser persönlicher Darkroom sein könnte, wenn Pia nicht so katholisch wäre, unsere Kammer, die nur ein angegliederter Funktionsraum einer profanen Nasszelle ist, liegt am Ende unseres Flurs und besitzt keinen amourösen Mehrwert. Sie ist nur mit allerlei Lebensnotwendigkeiten vollgerümpelt. Mit Pias Taschensammlung, Julias Inlineskates und Antons Fußbällen, mit dem
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