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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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möglichst billig. Machen Architekten nicht dauernd so was? Wir schütteln uns die Hände. Die Architektin hat einen irritierend festen, zupackenden Griff. »In einem Jahr, im nächsten Sommer«, sagt sie, »können Sie einziehen. Das verspreche ich Ihnen.«
    Was? So schnell? Die Gräuliche begeistert mich.
    An sich ist die Idee, mit einem Architekten ein Einfamilienhaus zu bauen, absurd. Eine lachhafte Eingebung. Kein Mensch baut mit einem Architekten ein Wohnhaus. Architekten bauen Philharmonien, Städte, Wohnanlagen, Museen, Büros und Designerstühle, vielleicht gerade noch Villen. Aber Häuser?

    Dass niemand mit einem Architekten ein Ein familienhaus baut, liegt unter anderem daran, dass man das nicht muss. Rein rechtlich. Der Architekt erhält als Honorar etwa zehn Prozent der Bausumme. Das ist für den Architekten, weil der unter Umständen ein bis zwei Jahre beschäftigt ist mit dem Projekt, ein vergleichsweise niedriger Betrag. Für den Bauherren, der 20-, 30-oder 40 000 Euro Architektenhonorar zahlen muss, ist das verdammt viel Geld.
    Es gibt deshalb, weil es so exotisch ist, dass Architekten Häuser bauen, den Begriff »Architektenhaus«. Damit werben manche Makler. Sie sagen sozusagen: Das Haus ist ein Haus, das ein Architekt erbaut hat. Dafür muss man extra zahlen.
    Das ist komisch, finde ich. Mein Frisör bietet mir doch auch nur eine Frisur an. Und keine Frisör-Frisur. Und beim Bäcker kaufe ich Semmeln, ohne auf die Idee zu kommen, »Bäckersemmeln« zu verlangen. Und bestellt man an der Theke etwa ein Bier mit den Worten »aber nur eines vom Bierbrauer«? Seltsam also: Haus, aber ausnahmsweise eines vom Architekten: Architektenhaus.
    Einmal bin ich an einem Bauschild vorbeigefahren, auf dem die baldige Fertigstellung einer »Architekten-DHH« angepriesen wurde. Eine Architekten-Doppelhaushälfte. Vom wem, frage ich mich seither, mag die andere Hälfte stammen?

    »Architekten, alles Schwachköpfe!« Sage nicht ich. Das hat Flaubert gesagt, damit aber das landläufige Ressentiment gegen Architekten geißeln wollen. Einer von ihnen, also von den Nichtschwachköpfen, auch ein Franzose namens Ledoux, traf über sich selbst und seine Kollegen im 18. Jahrhundert die Feststellung, Architekten seien »Titanen« und dann noch: »Ich bin der Herausforderer des Schöpfers.« Mir ist unbehaglich angesichts eines Berufsstandes, in dem sich manche Exemplare für Götter halten, die vom Publikum als Schwachköpfe bezeichnet werden. Ich meine: Das ist doch ein irgendwie unklares Bild mit Möglichkeiten nach unten und oben. Wobei ich zunächst der Meinung bin, unsere Gräuliche würde sich wohl eher oben einsortieren. An Selbstbewusstsein mangelt es ihr nicht.
    In Amerika gibt es ein Hochhaus, in dem ein kleines Apartment 65 Millionen Euro kostet. Das ist viel Geld, aber dafür gibt es auch einen Innenarchitekten, der dem Bauherrn am Ende das Weinregal zum Einzug vollstellt. Er ist ohnehin der Meinung, man müsse die Etiketten der Weinflaschen passend zum Sofa aussuchen.
    Allerdings gibt es auch Architekten, die sich nicht für unsterblich halten, sondern die sich umbringen. Der Erbauer des Wiener Opernhauses brachte sich um - vor Scham. Als sein Bauwerk fertig war, sah er es sich an, fand, es sei ihm missraten - und zog die Konsequenz. Das ist ein Ehrbegriff in der Architektenschaft, den ich schon deshalb interessant finde, weil er nur so selten anzutreffen ist.

    Einen Begriff von Ehre hatte allerdings auch der Konstrukteur, der die Golden Gate Bridge in San Francisco berechnet hat. Ein damals unfassbar spektakuläres Bauwerk: Die Brücke wurde von den zwei Seiten der San Francisco Bay aus erbaut. In der Mitte sollten sich die beiden Brückenhälften treffen. Ein paar Tage, bevor es soweit war, machte sich der Konstrukteur Gedanken. Er hatte plötzlich Angst, er könnte sich verrechnet haben. Deshalb stand er auf, suchte sich seine Hausschuhe, nahm sich vielleicht ein Glas Milch und setzte sich nochmals an seine wichtigsten Berechnungen.
    Verdammt! Das kann nicht sein! Großer Gott! Er hatte sich verrechnet. Die beiden Hälften würden sich um einen ganzen Meter verfehlen. Die ganze Welt würde über ihn lachen. Am nächsten Tag war er tot. Er hatte sich über seinen Plänen und Berechnungen eine Kugel in den Kopf gejagt.
    Dann wurde nochmals nachgerechnet. Der Ingenieur hatte sich tatsächlich verrechnet - aber erst beim zweiten Mal. Die Brückenhälften fanden wenige Tage später wie geplant zueinander,

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