Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
Vom Netzwerk:
Gefahren fremder Kulturen lauern - aber immerhin verdanke ich Pia der Stadt Berlin. Und ich bin neugierig auf das deutsch-japanische Architekturbüro.
    Wie sich herausstellt, ist es so etwas wie ein Klassikermuseum der Raumkunst. Man spürt gleich, dass alle Möbel hier mit Bedacht ausgewählt sind, nicht zu protzig, aber auch nicht zu unscheinbar. Wieder perfekt. Die Gräuliche bietet uns Plätze an und Wasser aus der Leitung. »Sparsam, was?«, flüstere ich Pia zu. Auf einem Sideboard (Eiche, geölt) steht eine Schale aus rostfreiem Stahl mit vier grünen und einem roten Apfel, die so aussehen, als seien sie in Vollmondnächten gepflückt worden. Makellos. Allein ihre Anordnung in der Schale dürfte das Werk einiger Arbeitsstunden
sein. Mir ist nicht recht wohl in dieser Atmosphäre. Ich fühle mich unzulänglich.
    Pia sitzt dagegen ganz entspannt da. Sie hat, schon von Berufs wegen, ein gutes Verhältnis zu Architekten.
    Die Gräuliche sagt zu unserem Problem: »4 Meter 80? Natürlich kann man auch in dieser Breite ein wunderschönes Haus bauen. Sie müssen nur Ihr Leben ändern.«
    Die Architektin hat auch gleich einen Bildband zur Hand. Perfekt eben. »Hier«, sagt sie und schlägt eine eingemerkte Seite auf. Das Buch heißt »Living in a Small Space«. Leben auf kleinem Raum: Genau mein Thema. Ein schmales Bändchen, wie passend. Das Haus, das sie uns zeigt, steht in Osaka und wurde von einem Architekten namens Tadao Ando entworfen. Später erzählt mir Pia, dass der früher ein Boxer gewesen sei. Einmal habe er im Zorn einen angestellten Lakaien mit einem gezielten Schlag k.o. geschlagen, während der Bauherr flüchten konnte.
    Das Haus, das er in Osaka gebaut hat, steht in einer Lücke und ist zwei Meter und 90 Zentimeter breit. »Toll«, sagt Pia. Und flüstert mir zu: »Tadao Ando, ganz wichtiger Architekt. Das ist ein berühmtes Haus.« Es heißt »Kanamori House«.
    Ob mein Haus auch Baugeschichte machen, ob es als das »Pia-House« bekannt wird? Schon sehe ich Tausende von sensationslüsternen Architektur-Touristen und wissbegierigen Studenten unser Häuschen im Grünen aufsuchen. Ich werde Unmengen von Filzpantoffeln
bereithalten müssen, wie das in sehenswerten Schlössern gemacht wird. Vielleicht kann ich später von den Führungen leben - und für den Unterhalt dieses einmaligen Baudenkmals wird der Staat sorgen. Die UNESCO-Plakette, die unser zukünftiges Heim als »Weltkulturerbe« ausweist, sehe ich förmlich vor mir an der noch nicht existenten Hauswand. Langsam begeistere ich mich für die Gräuliche. Dann sehe ich wieder die Schale mit den vier grünen und einem roten Apfel in ihrer perfekten Ästhetik. Da wird mir klar: Sie wird es schaffen, uns ein schmales Haus zu bauen, aber wir werden nichts zu lachen haben.
    »Kein Mensch kann auf einer Breite von 4,78 Zentimetern plus zwei geschenkten LBK-Almosen-Zentimetern leben.« Sage ich. Und die Gräuliche erwidert: »Gegen Osaka betreiben Sie reinste Platzverschwendung. Das kriegen wir schon hin. Sie müssen nur brav mittun.« Ich habe das Gefühl, sie taxiert mich wie einen Apfel, von dem sie noch nicht so genau weiß, ob er grün oder rot ist. Und ob er überhaupt in die Schale passt.

    Trotzdem: Ich brauche sie. Und Pia ist regelrecht begeistert von ihrem Tatendrang. Außerdem: Die LBK-Abteilung A hat uns am Tag zuvor wissen lassen, dass jeder Entwurf für unser Haus, der auch nur einen Millimeter über 4,80 Meter hinausgeht, mit der sofortigen Baurechtsverweigerung geahndet würde, weil es nun mal gegen die Mindestabstandsflächenverordnung verstoße. Und die Abteilung B der LBK hat mich in diesem
Zusammenhang auch noch wissen lassen, dass ein Bauvorhaben, das extrem schmal sei, zum Beispiel 4,80 Meter, womöglich nicht genehmigungsfähig sei, weil ein derart extremistischer Baukörper nun mal gegen den Ensembleschutz verstoße. Ich brauche die Gräuliche für die Baugenehmigung.
    Alles, was aus der Lokalbaukommission zu uns dringt, hört sich an wie der Satz: »Das Schnäppchen ist kein Schnäppchen.« Die Gräuliche verspricht Rettung. Zur Not akzeptiere ich auch Raumkunst. Schließlich will ich nicht in einem Flugzeug leben, auf dem Quetschplatz in der Mitte, Economy.
    Das Superschmalgrundstück benötigt einen Könner, jemanden, der aus nichts ein Schloss machen kann, jemanden, der ein Grundstück, das wie ein Lineal geformt ist, mit einem breiten, voluminösen Atriumhaus bebauen wird, mit ausreichend Abstand zu den Nachbarn. Und

Weitere Kostenlose Bücher