Meine Freundin, der Guru und ich
– einfach aus, bewegten sich ein bißchen, redeten mit irgend jemandem, der sich gerade in ihrer Nähe befand, kauften, was an Essen oder Tee eben zu haben war, und verzehrten soviel davon, wie sie konnten, bevor der Zug/Bus ihnen den Spaß wieder verdarb, indem er sich erneut in Bewegung setzte. Und sowie ich angefangen hatte, diese Technik zu kopieren, begann ich selbst mehr Spaß an der Sache zu haben.
Das Geheimnis war, über das Reisen ganz anders zu denken. Wenn man es als eine Methode sah, um von A nach B zu kommen, konnte man einpacken und fing irgendwann an, vor Verzweiflung Zehennägel zu kauen. Man mußte das Unterwegssein als einen Zustand begreifen, als eine ganz eigene Art von Aktivität – ein soziales Ritual, das um Nahrungsaufnahme und Gespräche kreiste und flüchtig unterbrochen wurde von kleinen Pausen zwecks Fortbewegung. Im Grunde genommen war jede Fahrt eine kleine Party.
Zum ersten Mal unterhielt ich mich richtig mit Indern, und obwohl keiner von ihnen gut genug englisch sprach, um etwas Interessantes von sich geben zu können, waren sie überwiegend unheimlich freundlich und zahlten mir zum Schluß oft noch den Tee. Ich wollte das gar nicht, aber sie bestanden darauf. Eine ziemlich verwirrende Erfahrung, hatte ich doch bis dahin an meiner Traue-niemals-einem-Inder-das-ist-ein-Haufen-von-Verbrechern-die-glauben-daß-sie-moralisch-im-Recht-sind-und-dich-ausnehmen-können-weil-du-viel-zu-reich-bist-und-außerdem-hast-du-immer-noch-das-Blut-des-Empire-an-den-Händen-also-paß-auf-die-wollen-was-von-dir-Theorie gearbeitet. Eine Tasse Tee kostete sie nur ungefähr zwei Pence, aber ich begriff nicht, was sie davon hatten, wenn sie bezahlten. Es war ja nicht etwa so, daß sie allesamt meine Hilfe für ihren Visumantrag gebraucht hätten. Es sei denn, daß es Teil eines langfristigen Plans war, sich mit mir anzufreunden und mich für noch nicht genauer bestimmbare spätere Zwecke warmzuhalten. Was auch immer die Beweggründe waren, es war nett, auf solch gastfreundliche Weise behandelt zu werden.
Überall sonst wollte eine Unmenge von Indern, daß ich in ihre Läden, ihre Restaurants, Hotels oder ihre Rikschas komme – und die Leute redeten nur mit mir, weil sie mein Geld wollten. Aber im Zug war ich in einer belästigungsfreien Zone. Die Leute ließen mich entweder in Ruhe oder redeten mit mir, weil sie sich offenbar nur ein bißchen unterhalten wollten. Nachdem ich einige Tees spendiert bekommen hatte – von Leuten, die daraufhin verschwanden, ohne auch nur nach meiner Adresse gefragt zu haben –, begann sich langsam der Verdacht zu erhärten, daß sie das tatsächlich aus reiner Freundlichkeit taten. Es war alles sehr merkwürdig.
Ich hatte gedacht, daß das Unterwegssein das Beschissene an der ganzen Sache sei, das man nur auf sich nahm, um an die Orte zu gelangen, die man sehen wollte, aber nun kam mir der Gedanke: Vielleicht waren ja die Orte das Beschissene daran, das man auf sich nahm, um unterwegs sein zu können.
Die Sache wurde allmählich interessant. Ich fühlte, wie aus meinem »Nnnn« immer mehr ein »Mmmm« zu werden begann.
Jeremy wußte von einem waaahnsinnig tollen Hotel, und sobald wir in Jaipur angekommen waren, bestand er darauf, daß wir es uns alle zumindest einmal anschauen. Es stellte sich dann auch als ganz nett heraus, so daß wir alle unsere Rucksäcke dort abstellten, uns wuschen und den restlichen Tag mit Rumlümmeln verbrachten.
Liz und ich waren allein in unserem Zimmer, mitten im Lümmeln, als ich sie fragte, ob sie auf Jeremy stehe.
»So ein Quatsch.«
»Das ist kein Quatsch.«
»Natürlich stehe ich nicht auf ihn. Er hat einen Bart.«
»Schwörst du's?«
»Und wennschon.«
»Und wennschon was?«
»Und wenn ich auf ihn stehen würde?«
»Weiß nicht.«
»Du hast kein Recht, mich davon abzuhalten, auf jemand zu stehen.«
»Ich dachte nur, das mit uns …«
»Was ist mit uns?«
»Du weißt schon, jetzt wo wir …«
»Wo wir was?«
»Na, wo wir so was wie eine sexuelle Beziehung haben.«
»Wir haben überhaupt keine sexuelle Beziehung, Dave.«
»Ach, nicht?«
»Natürlich nicht. Hör mal, ich glaube, wir müssen mit diesen ganzen Sachen aufhören. Offenbar kapierst du's einfach nicht.«
»Aber … wir haben doch …«
»Ich hab dir doch immer wieder erklärt, daß ich James liebe. Wie oft muß ich dir das noch verklickern, bevor das in deinen Dickschädel reingeht? Da läuft nichts.«
»Aber es ist doch schon was gelaufen.«
»Das,
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