Meine Freundin, der Guru und ich
was wie ein spirituelles Land oder so.«
»Das ist ja auch der Grund, warum ich hier durch die Gegend fahre. Ich bin irgendwie auf der Suche nach meiner spirituellen Heimat.«
»So was wie Manali. Und das Rainbow Lodge.«
»Ganz genau. Das ist es, Alter, heilige Höhlen und all dieser Kram. Das bringt's total.«
»Da hast du recht«, sagte ich. »Ist schon der Wahnsinn.« Wir liefen eine Weile lang einträchtig nebeneinander her und bewunderten schweigend die schöne Aussicht.
»Schon lustig«, sagte ich.
»Was denn?«
»Na ja, du weißt schon – daß sich Manali echt korrekt anfühlt.«
»Mmh, stimmt.«
»Ich meine, man tut sich die ganze Zeit diesen Streß und diese Geldgier an, und dann kommt man hier an und weiß sofort: das ist das echte Indien und so.«
»Mmh, stimmt.«
»Ich meine, ist schon komisch: Die ganze Zeit, in der ich hier bin, habe ich noch mit keinem einzigen Inder gesprochen. Du bist wirklich der erste.«
»Und?«
»Weiß nicht… es ist so, als ob die besten Orte – also wo es sich mehr nach Indien anfühlt – die wären, wo man nicht mit Indern sprechen muß.«
»Aber echt, Alter. Aber echt.«
Als ich noch am selben Abend versuchte, diese Theorie Liz zu erklären, hätte sie mich am liebsten als Häretiker auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ich hatte sie noch nie so wütend gesehen. Fürs erste stand Jeremy in hoheitlicher Gunst, und ich war bloß ein blöder Hund, der sich nicht zusammenreißen konnte.
Vielleicht
waren ja die Orte
das
Beschissene daran
Ranj war von allen Leuten, die ich seit meiner Ankunft in Indien kennengelernt hatte, der erste, den ich wirklich mochte. Wir kamen von Anfang an gut miteinander aus, und während Liz mit Jeremy ins Land der gequirlten Scheiße abdriftete, begann ich, die meiste Zeit mit Ranj zu verbringen. Ich hatte zuvor eigentlich nie Freunde aus South London gehabt, und es war recht interessant, weil die Leute, die von dort sind, doch einen ganz anderen Blick aufs Leben haben.
Nach ungefähr vierzehn Tagen wurde auch Manali langweilig, und es wurde irgendwie beschlossen, daß Liz, Jeremy, Ranj und ich gemeinsam nach Dharamsala reisen würden. Das war offenbar dort, wo der Dalai-Lama und jede Menge tibetanischer Mönche abhingen, also mußte es ein ziemlich cooler Ort sein. Mit ein bißchen Glück würde man vielleicht sogar Richard Gere zu Gesicht bekommen. Manali war so eine Art Sicherheitsdecke geworden, und der Gedanke, es verlassen zu müssen, ließ meine alten Ängste wieder hervorkommen. Doch ich sagte mir, daß das Unterwegssein in einer größeren Gruppe auch wie eine Art Schutz funktionieren würde. Und da wir irgendwann sowieso einmal unsere Zelte hätten abbrechen müssen, schien das noch die beste Art zu sein, es zu tun. Außerdem hieß es, daß Dharamsala so Manali ziemlich ähnlich sei und die Fahrt dorthin somit eine sanfte Wiedereinführung in die Härte des richtigen Reisens sein würde.
∗∗∗
Wie sich herausstellte, mochte niemand von uns Dharamsala, was zu einem großen Teil daran lag, daß wir gleich am ersten Abend etwas gegessen hatten, von dem uns allen schlecht wurde. Ich brachte die ganze Nacht mit Scheißen zu, und für Jeremy war das Ende vom Lied, daß er aus dem Fenster kotzte. Ich wußte, daß es ein Fehler gewesen war, Paella zu bestellen, aber das Woodstock-Restaurant sah einigermaßen hygienisch aus, und wir dachten zu diesem Zeitpunkt noch, es sei mal was anderes.
Jeremy beschwerte sich in einer Tour, daß Dharamsala total kommerziell geworden sei, seit er das letzte Mal da gewesen war, und daß das, was früher einmal ein Ort der Besinnung gewesen sei, den Tibetanern nur noch zur Geldmacherei diene. Er beschwerte sich allen Ernstes darüber, daß sein ehedem einzigartiger bestickter Tagesrucksack nunmehr vor jedem Geschäft in der Hauptstraße zum Verkauf aushing.
Nur um ihn zu ärgern, kaufte ich mir auch einen.
Wir beschlossen, ein paar Tage Ruhepause einzulegen und uns dann auf den Weg aus den Bergen hinunter nach Rajasthan zu machen.
Um dorthin zu gelangen, mußten wir einen Bus bis ganz zurück nach Delhi nehmen und danach einen Zug nach Westen Richtung Jaipur. Das Ganze dauerte eine halbe Ewigkeit, und es war heiß und stickig, dreckig und ungemütlich, und außerdem fing Ranj schon nach kurzer Zeit an, sich blendend mit Jeremy zu verstehen, was mich ziemlich anstank.
Egal, wo der Zug oder Bus anhielt, stiegen Ranj und Jeremy – anstatt sich zu beschweren, wie lang das alles dauerte
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