Meine Freundin, der Guru und ich
spuckte er auf meine Schuhe und ging.
Der Typ von der Rezeption schrie ihm noch etwas auf Hindi hinterher, worauf er ein paar Scheine auf den Boden warf, bevor er um die Ecke verschwand.
Ich richtete mein Hemd und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Im gesamten Hof herrschte Totenstille. Alle starrten mich an. Ich versuchte zu lachen, wollte sagen, daß der Kerl völlig durchgeknallt sei, aber ich brachte keinen Ton heraus.
Plötzlich fiel mir auf, daß Liz, Fee und Caz die ganze Sache von ihrem Balkon aus beobachtet hatten. Liz machte sich vor Schadenfreude fast in die Hose, das sah ich ihr an, auch wenn sie jeden einzelnen Gesichtsmuskel anstrengte, um ihr Vergnügen hinter der selbstgerechten Hab-ich's-dir-doch-gesagt-Fassade zu verbergen, mit der ihr Gesicht überzogen war. Fee und Caz empfanden allem Anschein nach nur Mitleid mit mir.
Ich hatte mich von meiner Beinahe-Begegnung mit dem Tod noch nicht richtig erholt, als Liz aus ihrem Tempel, der Fee und Caz als Zimmer diente, herabstieg, um mir »ein paar Neuigkeiten« zu überbringen.
»Was denn? Was ist denn?« fragte ich, immer noch ein bißchen benommen.
»Ich habe mich entschieden. Ich muß das einfach tun.«
»Was?«
»Na ja – Fee und Caz haben mir von so einem Ort erzählt, wo ich gern hinfahren würde. Ist nicht weit weg von hier.«
»Ja und?«
»Es ist kein Ort, wo man einfach hinfahren und sich umschauen kann. Wenn man dahin will, muß man sich verpflichten, mindestens zwei Wochen zu bleiben.«
»Was? Wieso?«
»Es ist ein Aschram.«
»Und was hat man sich darunter vorzustellen?«
»Das ist ein hinduistischer Ort der Besinnung, wo man meditieren, nachdenken und spirituell weiterkommen kann.«
»Spirituell weiterkommen? Wovon redet du eigentlich?«
»Hör mal – ich will das Ganze nicht noch mal mit dir durchkauen. Du bist ganz offensichtlich taub für das, was dir dieses Land beizubringen versucht, deshalb sollten wir uns einfach nur an die Fakten halten. Ich gehe jedenfalls mit Fee und Caz in den Aschram.«
»Für zwei Wochen?«
»Für mindestens zwei Wochen.«
»Tja, das war's dann wohl.«
»Was war was?«
»Du läßt mich im Stich. Da haben wir's. Ich bin ganz auf mich allein gestellt.«
»Nein, das bist du nicht. Mir ist klar, daß du nicht mit uns in den Aschram kommen willst, aber wir können uns ja jederzeit treffen …«
»Da hast du verdammt recht, daß ich nicht in deinen Scheiß-Aschram mitkomme. Ich hab wenig Bock, mir von irgendwelchen völlig durchgeknallten Hare-Krishna-Jüngern eine Gehirnwäsche verpassen zu lassen. Ohne mich. Ich werd nirgendwo in die Nähe …«
»Hör auf! HÖR AUF DAMIT! Ich will das gar nicht hören. Deine Vorurteile …«
»VORURTEILE! Ich hab überhaupt keine Vorurteile – ich hab nur keinen Bock, irgendwann mit rasiertem Kopf auf dem Leicester Square zu enden und allen Leuten zu erzählen, wie lieb ich sie habe.«
»Das, mein Lieber, nennt man Vorurteile – falls du nicht wußtest, was das Wort bedeutet. Wir reden hier von einer Weltreligion, der mehrere hundert Millionen Menschen anhängen, und alles, was dir dazu einfällt, ist … ist … irgendeine typisch westlich-verdrehte Äußerung zur östlichen Philosophie. Du bist so was von borniert! Ich weiß gar nicht, wozu du dir die Mühe gemacht hast, hierherzukommen.«
»Weil du mich dazu überredet hast.«
»Jetzt komm mir bloß nicht auf die Tour. Du wolltest doch selbst fliegen.«
»Aber nur, damit ich bei dir bin. Und jetzt verläßt du mich.«
»Ich folge einem Ruf. Du kannst gern mitkommen oder später wieder zu mir stoßen, aber ich werde mir diese Gelegenheit bestimmt nicht wegen deiner Kleingeistigkeit entgehen lassen.«
»Und ich werde nirgendwo rumhängen und auf dich warten. Wir haben einen Reiseplan einzuhalten, und es gibt noch ein ganzes Land zu entdecken – aus diesem Grund bin ich hierhergekommen. Schließlich kann ich nicht meine ganze Zeit hier verplempern, oder? Da würde ich verrückt werden. Es ist doch total sinnlos, erst nach Indien zu fahren und sich dann gar nichts anzuschauen. Ich muß schauen, daß ich weiterkomme. Ich möchte endlich nach Goa.«
»Diese Ungeduld ist was typisch Westliches. Du merkst das gar nicht, aber du bist schon richtig zu einer Parodie deiner selbst geworden.«
" Ich eine Parodie meiner selbst? Das ist ja lachhaft.«
»Was willst du damit sagen?«
»Du … du … du bist einfach ein Arschloch geworden! Anders kann man das gar nicht sagen. Und du hast nicht mal
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