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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Sutcliffe
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euch keine Sorgen. Ich bin sicher, daß bald alles wieder in Ordnung ist.
    Liebe Grüße,
    Dave
     
    PS: Alles in Ordnung zu Hause?
     
    Ich legte die Karte oben auf meinen Rucksack, machte das Licht aus und ging ins Bett. Die Laken schienen relativ sauber zu sein, doch ich war in dieser Art Stimmung, wo man nicht vergessen kann, wie viele Leute schon in demselben Bett geschlafen haben und was für eine Vielzahl von Nummern auf derselben aufnahmefähigen Matratze bereits geschoben wurden. Es begann mich überall zu jucken, und ich brauchte etwas, das mich ablenkte.
    Nachdem ich das Licht wieder angemacht und mein Buch aufgeschlagen hatte, gelang es mir, etwas Trost aus der Tatsache zu ziehen, daß es meinen Helden offenbar noch schlimmer erwischt hatte als mich (er kotzte sich die Seele aus dem Leib und irrte nackt durch die Wüste von Mexiko, in dem Glauben, er sei ein Hund). Ich konnte mich allerdings immer nur einen Satz lang konzentrieren und lauschte irgendwann nur noch den Zügen vor meinem Fenster.
    Ich machte das Licht aus und versuchte einzuschlafen. Doch es gelang mir nicht, die Bilder abzustellen, die vor meinem geistigen Auge auftauchten und mich quälten. Ich sah Liz, wie sie mit Fee und Caz herumsaß, Spaß hatte, meditierte und über mich ablästerte. Ich war fest entschlossen, nicht davon zu träumen, daß die drei endlosen Spaß hatten, während ich hier in einsamen Hotelzimmern dahinwelkte, weshalb ich angestrengt versuchte, an etwas anderes zu denken. Das Thema, das immer wieder in die entstandene Lücke stieß, war jedoch noch schlimmer – mein Hirn bestand nämlich darauf, zu überschlagen, wie viele Tage ich bereits hinter mich gebracht hatte und wie viele Tage ich noch vor mir hatte in Indien. Es schien von zentraler Bedeutung zu sein, auszurechnen, ob es schon mehr als die Hälfte war oder nicht, aber eigentlich wollte ich auch darüber nicht nachdenken, weil in jedem Fall noch eine sehr lange Zeit vor mir lag und es sehr wahrscheinlich war, daß ich mich außerstande sehen würde, davon auch nur einen Moment zu genießen.
    Die einzige Möglichkeit, jenen schrecklichen Gedankenwirbel in meinem Kopf aufzuhalten, lag darin, daß ich versuchte, diesen völlig zu leeren. Das erwies sich jedoch als beinahe unmöglich. Bilder von Liz, Fee, Caz, Jeremy und meiner Mutter sowie von bizarren asiatischen Sexszenen in den Ruheräumen des Bahnhofs von Udaipur füllten unaufhörlich mein Hirn. Ich versuchte angestrengt, mich zu erinnern, ob ich die drei Mädchen irgendwann mal dabei belauscht hatte, wie sie Meditationstips austauschten, aber mir fiel nichts Brauchbares ein.
    Schließlich sagte ich mir in meinem Kopf immer wieder das Wort »Leere« vor – mit einer solchen Besessenheit, daß es jedes andere Wort auslöschte – und versuchte, all meine verbleibenden Kräfte darauf zu konzentrieren, mir eine leere Schachtel vorzustellen. Ich wurde immer wieder durch das Gefühl abgelenkt, daß es ja vielleicht wirklich klappen könnte, zog aber irgendwann aus der Tatsache, daß es hell war und ich aufwachte, die Schlußfolgerung, daß ich eingeschlafen sein mußte.
    Ich fühlte mich an diesem neuen Tag geringfügig glücklicher und nahm im Bahnhofsrestaurant ein Frühstück zu mir. Irgendwie war es ja schon cool, ganz auf sich selbst gestellt zu sein. Wenigstens kam ich mir tapfer vor, und das war zumindest ein positives Gefühl. Als ich mir die anderen Leute im Restaurant ansah, die alle in Gruppen frühstückten, kam ich zu dem Schluß, daß ich auf sie wohl ein bißchen geheimnisvoll wirken mußte. Das fühlte sich auch ganz gut an. Geheimnisvoll war ich mir eigentlich noch nie vorgekommen. Und obendrein schmeckte mein Omelett wirklich hervorragend. Gestern war ein schlechter Tag gewesen, aber heute, so beschloß ich, würde ein guter Tag werden.
    Wurde es aber nicht. Ich verbrachte die Fahrt von Udaipur nach Ahmedabad mit einem Kind, das ständig schrie, einem Jungen, der das Kind haute, das ständig schrie, einer Mutter, die das Kind haute, weil es sich beschwerte, daß es von seinem Bruder gehauen wurde, und einem Ehemann, der so aussah, als ob er sich umbringen wollte. Sie machten einen solchen Lärm und nahmen so viel Platz weg, daß ich mir die gesamten elf Stunden vorkam wie ein unerwünschter Sozialarbeiter im Wohnzimmer einer psychotischen Familie.
    Der Bahnhof in Ahmedabad stank – buchstäblich – nach Scheiße, und ich mußte mich zu neuen Höhen des Drohens und Lügens aufschwingen, ehe es

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