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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Sutcliffe
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Und, nach einer Weile, um die entstandene Lücke zu füllen: »Reuters.« Ich nickte langsam. »Journalist«, sagte er dann noch, um das Loch endgültig zuzumauern.
    »Aha.«
    Echt ein gesprächiger Typ. Am liebsten hätte ich zu ihm gesagt, daß er in seinem Leben wohl zu viele Telegramme geschrieben habe und sich mal ein paar soziale Fertigkeiten aneignen solle, aber er gehörte nicht zu der Sorte Menschen, zu denen man so was sagen konnte. Er sah eigentlich überhaupt nicht aus wie jemand, der sich irgend etwas sagen ließ.
    Es war schon ewig her, daß ich mit einem richtigen … na ja, Erwachsenen gesprochen hatte. Jemand mit einem Job. Mal abgesehen von den Indern – klar, daß die Arbeit haben – ich meine, einfach jemand aus der Heimat. Ein Europäer mit Job. Jemand, der irgendwie richtig was machte.
    Dieser Umstand führte bei mir irgendwie zu einer totalen Mattscheibe, und mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können.
    Schließlich fragte ich: »Wo fahren Sie hin?«
    »Ich will über den Streik berichten.«
    Ich nickte, so als ob ich mit dieser Antwort etwas anfangen könnte.
    Er sah mich nach wie vor an, also nickte ich weiter.
    »Weißt du, von welchem Streik ich spreche?«
    »Von dem Streik?«
    »Ja. Dem Streik.«
    »Ahm … ich hab ehrlich gesagt schon seit Tagen keine Zeitung mehr gelesen.«
    Er schnaubte. »Der Kongreß hat sich mit der BJP über Quotenregelungen für den Zugang von Harijans zur höheren Bildung gestritten, und der Maharashtran Sabha war nicht in der Lage, eine endgültige Abstimmung über den angedrohten Generalstreik herbeizuführen. Und das Ganze wird ihnen jetzt wahrscheinlich bald um die Ohren fliegen.«
    »Ah ja«, nickte ich lautstark.
    »Weißt du überhaupt, wovon ich rede?«
    »Ehrlich gesagt, nein.«
    »Also, schau her, ich erklär's dir noch mal von vorn. Der Kongreß …«
    Ich versuchte, meine Gesichtszüge so zu arrangieren, daß sie ihm signalisierten, »mach weiter«, aber irgendwie sprach immer noch ein riesengroßes »Hä?« aus ihnen.
    »Der Kongreß …?« fragte er.
    »Ahmmm ….«
    »Du weißt nicht, was der Kongreß ist?«
    »Klar weiß ich das.«
    »Und was ist es?«
    »Das ist… das … Parlament. Das indische Parlament.«
    »Nein, nicht das Parlament. Das Parlament besteht aus der Lok Sabha und der Rahja Sabha. Der Kongreß ist die Regierungspartei.«
    »Ach ja, genau. Natürlich. Jetzt weiß ich's wieder.«
    »Also weißt du Bescheid über den Streit wegen der Harijan-Quote?«
    »Nicht ganz genau.«
    »Aber du weißt, wer die Harijans sind?«
    »Ja.«
    »Und wer ist das?«
    »Das ist… äh … die Oppositionspartei.«
    »O Gott, das ist wirklich unglaublich. ›Harijan‹ ist die Bezeichnung für die unterste Kaste der indischen Gesellschaft. Die Unberührbaren. Die Leute, die wahrscheinlich sämtliche Fußböden, auf denen du gestanden hast, gefegt, und jedes Klo, in das du seit deiner Ankunft geschissen hast, saubergemacht haben. Das sind die Harijans – wie sie ein gewisser Mahatma Gandhi genannt hat. Von dem hast du vielleicht schon mal gehört?«
    »Danke, ja«, erwiderte ich und versuchte dabei sarkastisch zu klingen.
    »Wahrscheinlich hast du bloß den Film gesehen«, murmelte er vor sich hin. »Ach, vergiß es. Vergiß es einfach.« Kopfschüttelnd wandte er sich ab und vermittelte den Eindruck, vollkommen vergessen zu haben, daß ich auch noch da war. Mit gerunzelter Stirn und einem vagen Lächeln um seine Lippen starrte er in den Sumpf hinaus.
    Das war vielleicht ein Grobian. Ich war fest entschlossen, mich nicht von ihm demütigen zu lassen.
    »Hören Sie mal«, sagte ich. »Sie sind Journalist von Beruf. Es ist Ihr Job, so was zu wissen. Ich bin hier nur auf Urlaub. Dafür muß ich nicht auch noch pauken. Das muß ich den Rest des Jahres schon genug.«
    Er drehte sich zu mir um und murmelte, offenbar immer noch zu sich selbst: »Dafür mußt du nicht pauken.«
    War das seine Vorstellung von einem Gespräch? Ich hatte definitiv noch nie so einen unhöflichen Menschen getroffen.
    Nach einer Weile sagte er es noch einmal, ein bißchen lauter, und mit einer etwas seltsamen Betonung. »Dafür mußt du nicht pauken.«
    »Ganz genau. Dafür muß ich nicht pauken. Haben Sie 'n Problem damit?«
    »Nein«, sagte er und lächelte mich an. »Ich denke, das trifft die Sache ganz gut.«
    »Was soll das heißen: Es trifft die Sache ganz gut?«
    »Universität des Lebens. Erstes Semester – Abenteuerspielplatz für Fortgeschrittene. Prüfung,

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