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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Sutcliffe
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erinnern, mich jemals so elend gefühlt zu haben. Eine Einsamkeit, die alles erfaßte, kauerte über mir und gab mir das seltsame Gefühl, daß mein ganzes Leben ein Schwindel war und ich eine ziemlich arme Sau, die keine richtigen Freunde hatte. Ich hatte bekommen, was ich verdient hatte. Isolation und Trübsal. Ich war Tausende von Meilen entfernt von irgend jemandem, der sich um mich Gedanken machte, und selbst die Leute, die sich um mich sorgten, taten das wahrscheinlich gar nicht, weil sie nämlich keine Ahnung hatten, wo ich überhaupt steckte. Ich konnte morgen sterben, und es wäre ihnen scheißegal. Und welchen Vorwurf konnte man ihnen schon machen, daß sie mich haßten – wenn ich ein derart egoistischer, gedankenloser und ignoranter Mensch war – ein feiges Arschloch und ein Loser.
    Während ich darüber nachdachte, entdeckte ich, daß sich ein eigenartiges Lustgefühl in mein Unglück geschlichen hatte. In meinem Selbsthaß machte sich ein leichter, masochistischer Kitzel bemerkbar, der der ganzen Sache eine Art bittersüßen Anstrich gab.
    Und als ich mich da so ganz allein an diesem tropischen Strand sitzen sah, wie durch eine Filmkamera, bittersüße Melancholie in meinen Gesichtszügen, überkam mich plötzlich eine Woge der Freude, die sich über meinen ganzen Körper ausbreitete. Ich war so was von arschcool. Die ganze Szene hätte Teil eines Aftershave-Werbespots sein können. Es war genau das, was man in seinem freien Jahr zwischen Abi und Uni machte. Das war's – das war genau der Moment. Ich war im Begriff, mich selbst zu finden.
    Ich fühlte mich plötzlich derart in Hochstimmung, daß ich beinahe zu weinen angefangen hätte – was mir seltsam vorkam, weil es keine Freudentränen waren, sondern Wozu-bin-ich-eigentlich-am-Leben-Tränen. Sofort bekam ich eine Sauwut auf mich selbst, weil ich diesen großen Augenblick dadurch zerstört hatte, daß ich übers Weinen nachdachte. Und von der Sauwut war es nur ein kurzer Sprung zurück, mich wieder deprimiert und elend zu fühlen und von neuem selbst zu hassen.
    Ich gelangte zu der Überzeugung, daß das Stöbern im Gefühlshaushalt eine schlechte Idee gewesen war, die zu nichts führte. Aber wenigstens hatte ich mich selbst gefunden, und das war ja auch schon mal was.
     
    Ich verbrachte eine Woche in Goa, weil ich den Gedanken, weiterreisen zu müssen, nicht ertrug, und stellte nach und nach fest, daß es außer mir doch noch ein paar andere Reisende gab. Allerdings wurde ich mit niemandem von ihnen so richtig warm. Keiner von ihnen war aus England, und sie gehörten alle zu dieser etwas älteren Generation, die aus irgendwelchen Gründen immer auf Studenten herabschaut. Ich redete mit ihnen, und sie waren oberflächlich gesehen durchaus auch ganz freundlich, aber ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie mich ein bißchen gönnerhaft behandelten.
    Es gab eine kleine Gruppe von Australiern, die ganz witzig waren, aber die waren alle schon gut in den Zwanzigern und hatten eine unangenehm machohafte Art, freundlich zu sein, die ich ein wenig einschüchternd fand. Sie gingen auch sofort davon aus, daß jemand in meinem Alter naturgemäß unreif ist, und ich ertappte sie immer wieder dabei, daß sie blöde grinsten, wenn ich was sagte – was mir ausgesprochen auf die Nerven ging. Ich hatte das Gefühl, daß ich über das, was ich gemacht hatte, gar nicht richtig reden konnte, weil sie alle schon monatelang unterwegs gewesen waren und die tollsten Geschichten auf Lager hatten, mit denen ich einfach nicht konkurrieren konnte – zum Beispiel, wie sie sich im thailändischen Dschungel verirrt hatten und auf Heroinhändler gestoßen waren, oder sich in indonesischen Gefängnissen mit kätzchengroßen Kakerlaken rumschlagen mußten, oder wie sie die ganze Everest-Tour gemacht hatten, nur mit Zehensandalen und einem Bondi-Beach-T-Shirt bekleidet.
    Sie hatten nicht diese ganze Mutter-Indien-Kacke gefressen, sondern waren einfach durch Asien gefahren und hatten sich wie Australier benommen, dabei viel Bier getrunken und Spaß gehabt. Auch wenn ich sie nicht mochte, mußte ich doch zugeben, daß sie ziemlich lässig waren.
    Zum ersten Mal wünschte ich mir, daß ich mehr herumgekommen wäre. Ich hatte die älteren Weltenbummler vorher noch nie beneidet, weil die meisten von ihnen so erkennbar soziale Versager waren. Diese Leute, die mit Mitte Dreißig immer noch durch Indien tappten, hatten ihr ganzes Leben so offenkundig verpfuscht, daß es

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