Meine Freundin, der Guru und ich
daß es getan zu haben mehr Spaß machte, als es zu tun. Sich in die Hosen zu scheißen ist zum Beispiel ein ziemlich gräßliches und unerquickliches Erlebnis, aber in die Hose geschissen zu haben – also, das ist schon ein ziemlich guter Gesprächsstoff für Parties. Mit meiner Hundeburger-Story würde ich es sicher noch weit bringen. Wenn man's genau nimmt, war es wahrscheinlich das einzige, woran ich mich in zehn Jahren noch erinnern würde, ganz unabhängig davon, daß in dem Burger höchstwahrscheinlich gar kein Hundefleisch gewesen war. Ich ahnte bereits jetzt, daß die Geschichte mit dem Hundeburger in meiner Sammlung von Anekdoten aus Indien einen Ehrenplatz einnehmen würde. Nach dem, was ich so von anderen Reisenden gehört hatte, besaß die Geschichte genau die richtige Mischung aus »Ich-Depp-das-hätte-ich-nicht-tun-sollen« und »Ich-bin-so-ein-harter-Typ-ich-bin-trotzdem-damit-klargekommen«.
Es war klar, daß mich niemand je fragen würde, wie es in den Bergen aussah oder wie sich das Klima innerhalb des Landes veränderte – sie würden einfach nur wissen wollen, ob ich jemanden flachgelegt hatte und wie krank ich geworden war. Zum Glück traf auf mich (mehr oder weniger) beides zu, so daß ich immer etwas vorzuweisen haben würde. Und egal, was für ein Langweiler aus mir werden würde, ich konnte immer sagen, daß ich ganz allein drei Monate lang durch Indien gereist war. Ich meine, ich war nicht die ganzen drei Monate allein gewesen, aber scheiß drauf – ich konnte ja sagen, was ich wollte.
Ein
ganz anderer
Mensch
Mein Flieger ging morgens um halb sieben, und auf meinem Ticket stand, daß ich drei Stunden vorher zum Einchecken dasein sollte. Also war es einigermaßen witzlos, überhaupt ins Bett zu gehen. Es gelang mir, das Hotel dazu zu bewegen, mir für zwei Uhr morgens eine Rikscha zu bestellen, und ich verbrachte den Rest des Abends mit Lesen, bevor ich zum vereinbarten Treffpunkt kam.
Der Rikschafahrer schlief tief und fest in seiner Kabine und wurde auch, nachdem ich ihn mehrmals angetippt hatte, nicht wacher. Erst als ich ihn zwickte, wachte er richtig auf. Sein Kopf fuhr von seinen verschränkten Armen hoch, und er sah mich mit weit aufgerissenen, erschrockenen Augen an, bis er sich erinnerte, wer ich war. Er grunzte und taumelte zu einem Wasserhahn an einer nahe gelegenen Mauer. Nachdem er sein Gesicht naß gemacht hatte, stolperte er zurück zu seiner Rikscha, ließ sie an, und wir fuhren los.
Überall, wo wir vorbeifuhren, schliefen die Rikschafahrer in ihren kleinen Kabinen. Es war mir nicht klar gewesen, daß sie abends nicht nach Hause gingen. Plötzlich fühlte ich mich schuldig, als mir aufging, daß ich möglicherweise ein bißchen gemeiner gewesen war als unbedingt notwendig – indem ich bei jeder Fahrt um jede einzelne Rupie gefeilscht hatte. Dieses Gefühl wurde jedoch augenblicklich von einer Woge der Erleichterung weggespült, als ich begriff, daß ich in nur ein paar Stunden für immer befreit sein würde von all diesen kleinen Augenblicken der Schuld, welche die letzten drei Monate über an mir genagt hatten. Es war von hinten schwer zu erkennen, aber der hängende Kopf des Fahrers und seine unsichere Fahrweise weckten in mir den starken Verdacht, daß er über weite Strecken hinweg schlief.
Obwohl wir ein paarmal haarscharf an einer Katastrophe vorbeischrammten, war ich noch am Leben, als wir am Flughafen ankamen – weshalb ich ihm ein großzügiges Trinkgeld gab. Ein Zyniker würde jetzt sagen, daß ich nur bei der erstbesten Person meinen Haufen nutzloser Währung loswerden wollte, aber ich hatte ganz aufrichtig das Bedürfnis, ihm ein Trinkgeld zu geben. Wenn ich gewußt hätte, wie wenig Rikschafahrer verdienen, hätte ich ihnen allen etwas gegeben.
Auf den ersten Blick wirkte der Flughafen vollkommen verlassen, aber nach einem kurzen Erkundungsgang konnte ich in einer entfernten Ecke der großen Abfertigungshalle eine kleine Gruppe von Menschen ausmachen. Wie sich herausstellte, bestand diese Gruppe aus fünf anderen Rucksackreisenden, die denselben Flieger nahmen wie ich. Als da waren: Brian, ein Telekommunikations-Ingenieur, der gerade die Reise seines Lebens hinter sich gebracht hatte und nun Angst hatte, seinen Job nicht wiederzubekommen. Seine namenlose schmollende Freundin, die in eine Jilly-Cooper-Schmonzette vertieft war. Lionel, ein Pediküre-Lehrling aus Lancashire, Uwe ein deutscher Maschinenbau-Student, und sein Freund Litty, der über
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