Meine Freundin Jennie
anderes als die fröhliche und nahezu unbekümmerte Jagd auf Mäuse. Alles an Jennie zeugte von der völligen Konzentration, mit der sie da lautlos vorwärtsschlich — ihr lang vorgestreckter Kopf, ihr angespanntes Gesicht, das Glitzern in ihren weit aufgerissenen Augen und jede einzige ihrer geschmeidigen, so erstaunlich beherrschten langsamen Bewegungen. In ihrer ganzen Haltung drückte sich eine Behutsamkeit, eine Vorsicht und ein so tödlicher Ernst aus, wie Peter es noch nie zuvor an ihr bemerkt hatte. Er selbst war so erregt, daß seine Kehle sich ganz trocken anfühlte; seine Haut juckte, und seine Schnurrhaare zuckten nervös. Er gab sich jedoch alle Mühe, steif und starr sitzenzubleiben und sich nicht zu mucksen, damit er Jennie nicht durch irgendeine Ungeschicklichkeit in Gefahr brachte.
Die bösen roten Augen glühten jetzt wie zwei brennende Kohlen, und mit seinen scharfen Ohren konnte Peter das widerliche Geschnüffel der Ratte und das Scharren ihrer Zehen auf dem Holzfußboden deutlich hören. Jennie hatte sich inzwischen flach ausgestreckt und kroch nun auf dem Bauch näher an den Feind heran. Plötzlich hielt sie inne und machte sich für ein paar Sekunden ganz steif, und den Blick starr auf ihre Beute gerichtet, schätzte sie bedächtig die Entfernung ab...
Dann rollte sie sich, Zoll für Zoll, zu einer kleinen Kugel zusammen und spannte die stahlharten Muskeln unter ihrem Fell zum Sprung an. Die Ratte lag mit der Breitseite vor ihr. Jennie wackelte nur ganz kurz, einmal nach links, einmal nach rechts, und dann schoß sie durch die Luft auf die Flanke der Ratte zu.
Aber so schnell sie auch war, die Ratte schien noch schneller zu sein, denn ihr Kopf fuhr wie der Blitz herum, und sie fletschte ihre weißen Zähne in einer so heimtückischen, peitschenartigen Bewegung, daß Peter seiner Freundin schon zurufen wollte: Gerade noch rechtzeitig entsann er sich jedoch ihrer Mahnung, unter gar keinen Umständen einen Laut von sich zu geben, und schluckte daher die Worte, die ihm bereits auf der Zunge lagen, wieder herunter.
Und dann sah er etwas, was ihm wie ein Wunder vorkam, denn obwohl sie doch mitten in der Luft schwebte, nahm auch Jennie diese unheimlich rasche Bewegung der Ratte wahr, drehte sich, um dem scharfen Biß des gefährlichen Nagetiers zu entgehen, oben in der Luft halb uff ihre eigene Achse — so wie Peter es mal im Sommer die Taucher auf dem hohen Sprungbrett über dem Schwimmbassin in Wembley hatte tun sehen —> landete auf dem Rücken der Ratte und stieß ihr die Zähne direkt ins Genick.
Dann folgte eine schreckliche Minute, in der Peter dumpfe Aufschläge, hastiges Scharren und Kratzen, ein schrilles Quieken und das laute Knirschen von Zähnen hörte, als die Ratte tückisch um sich schnappte und zu entkommen versuchte, während Jennie verbissen weiter um ihr Leben kämpfte und ihre Kiefer immer fester zusammenpreßte, bis ein scharfes Klicken ertönte — und im nächsten Augenblick hing die Ratte schlaff und reglos in Jennies Maul, und ein paar Sekunden später war alles vorbei.
Noch etwas erregt und zittrig kam Jennie vom Kampfplatz zurück und sagte: «Puh! Diese dreckigen und ekelhaften Biester! Ich hasse Ratten — fast ebenso wie Menschen... Sie sind alle unsauber und verseucht, und wenn du dich von ihnen beißen läßt, kannst du selber krank werden, denn ihre Zähne sind alle vergiftet, und manchmal stirbt man sogar an einem Rattenbiß. Davor habe ich immer Angst...»
«Jennie», fiel Peter ihr ins Wort und sagte voller Überzeugung: «Ich finde, du bist einfach wunderbar und der tapferste Mensch — ich meine, Katze, die ich je gesehen habe.»
Diesmal bildete Jennie sich nichts darauf ein und brüstete sich auch nicht vor Peter, denn sie machte sich ernstlich Sorgen, da sie ihn ja zu diesem Abenteuer gedrängt hatte. Deshalb sagte sie jetzt nur: «Das ist es ja gerade, Peter. An einer Ratte können wir nicht üben und lernen wie an einer Maus, weil es zu gefährlich ist. Ein einziger Fehler, und... nun, das möchte ich nicht riskieren. Ich kann dir natürlich die Drehung zeigen, damit du die wenigstens richtig machst, um dem Biß dieser Giftzähne zu entgehen, aber den Sprung, den Abstand, den genauen Zeitpunkt und vor allem die richtige Stelle, wo du sie im Nacken beißen mußt, um ihnen das Genick zu brechen — ja, das muß eben hundertprozentig klappen, wenn es soweit ist, und mehr ist dazu nicht zu sagen. Packst du sie zu hoch oben am Hals
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