Meine Freundin Jennie
Peter wurde, hauptsächlich auf Drängen von Mr. Strachan hin, in der Offiziersmesse zurückbehalten.
Jennie konnte Peter nur noch zurufen: «Mach dir keine Sorgen. Wir werden schon Mittel und Wege finden, um zusammenzukommen. Tu dein Bestes. Und wenn dir eine Ratte begegnet, zaudere nicht und spiele nicht mit ihr, sondern bring sie um!»
Dann packte der Boots’n Jennie an der Hautfalte über dem Genick und ging mit ihr davon.
Die und ihre Besatzung
Als Peter noch ein Junge gewesen war, hatte Nanny ihm oft von den drolligen kleinen Dampfern erzählt, die in Greenock und Gourock, den beiden Hafenstädten ganz nahe bei Glasgow, wo sie als Kind gelebt hatte, anzulegen pflegten. Aber noch nie, dachte Peter, konnte es ein so merkwürdiges Schiff und eine so schlecht ausgesuchte Besatzung gegeben haben wie die Gräfin von Greenock und ihren bunt zusammengewürfelten von Offizieren, Maaten und Matrosen, die Peter nun nach und nach kennenlernte, als die Gräfin gemächlich an der Süd-und Westküste von England entlangfuhr, wobei sie offensichtlich jede Gelegenheit wahrnahm, ihren stumpfen rostzerfressenen Bug in einen Hafen zu lenken, auch wenn es gar keinen stichhaltigen Grund dafür gab.
Denn soweit Peter feststellen konnte, schien an Bord niemand ganz bei der Sache zu sein. Mit Ausnahme des Zweiten Ingenieurs, der sich so gut wie keinen Augenblick von der uralten klapprigen Maschine trennte, die es irgendwie noch immer fertigbrachte, die Gräfin im Schneckentempo durch die unruhige See des Kanals zu manövrieren, batte allem Anschein nach jeder Mann von der Besatzung irgendeine Eigenheit, ein Steckenpferd oder eine Liebhaberei, die mehr von. seiner Zeit beanspruchte, als er den Pflichten widmete, die erfüllt werden mußten, um das Schiff flott zu halten und es an seinen jeweiligen Bestimmungsort zu bringen.
Da war zunächst Käpten Sourlies — und wenn Peter und Jennie nachmittags während ihrer Freizeit im Laderaum direkt hinter der Kommandobrücke oder auch am Heck zusammentrafen, um ein bißchen schwatzen und sich über ihre Arbeit, ihre Abenteuer und die Leute aus, zusprechen, die sie im Laufe der Zeit kennengelernt hätten, waren sie sich stets darin einig, daß es nach allem, was ihnen so vor Augen und Ohren gekommen war, bestimmt keinen verrückteren Menschen gab al8 ihn.
Seine Abneigung gegen das Meer und alles, was damit zu tun hatte rührte — wie Peter erfuhr, als er die Offiziere und Mannschaften belauschte, wie sie sich gerade über den Käpten unterhielten — erstaunlicherweise davon her, daß er einem alten Seefahrergeschlecht entstammte. Als dann die Reihe an ihn kam, die Tradition fortzusetzen, war er laut Mr. McDunkeld aus seinem Elternhaus in Glasgow fortgelaufen und hatte sich auf einem Bauernhof verdingt, denn das einzige, wofür er sich wirklich interessierte, war die Landwirtschaft.
Mr. Fairlie, der Funker, dem Mr. McDunkeld diese Geschichte erzählte, sagte, er habe schon oft von Bauernjungen gehört, die von zu Hause fortliefen, um zur See zu gehen, aber daß jemand aus einer Familie von eingefleischten Seebären es vorzog, Bauer zu werden, sei ihm in seinem ganzen Leben noch nicht untergekommen. Daraufhin hörte Peter Mr. McDunkeld sagen, daß es, soviel er wisse, wirklich so gewesen sei und Käpten Sourlies’ Vater sehr zornig geworden wäre, als er seinen Sohn unter lauter Kühen, Hühnern und Schweinen antraf, so daß er ihn wieder mit heimnahm, ihm eine Heuer verschaffte und ihn zwang, solange auf den Bordplanken auszuharren, bis er sein Kapitänspatent erworben hatte. Durch seinen Tod fesselte der Vater den Sohn dann für immer an den verhaßten Beruf, indem er ihm die Gräfin von Greenock als sein Erbteil aufhalste. Kapitän Sourlies war als echter Schotte viel zu geizig und geschäftstüchtig, als daß er es über sich gebracht hätte, den Frachter anderen Händen anzuvertrauen, und so kam es, daß er, der das Land so liebte, sich dazu verdammt sah, auch sein ferneres Leben auf dem Wasser zu verbringen.
Indem er sich nur auf die Küstenschiffahrt verlegte und dafür sorgte, daß die Gräfin möglichst viele, und das hieß, fast alle Häfen zwischen London und Glasgow anlief, gelang es ihm, das offene Meer weitgehend zu vermeiden und außerdem noch gute Geschäfte zu machen. War das Schiff zwischen zwei Häfen unterwegs, fühlte er sich richtig unglücklich, war auffallend schweigsam und überaus reizbar und hielt sich meist mißmutig in
Weitere Kostenlose Bücher