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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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seiner Kajüte auf, wo er landwirtschaftliche Lehrbücher studierte. Auf der Brücke ließ er sich dann nur sehr selten blicken. Wenn der Dampfer infolge zu starken Gegenwinds oder bei Nebel an Fahrt verlor oder wegen eines Maschinendefekts nicht von der Stelle kam, steckte er für einen Augenblick den Kopf zur Tür hinaus und erkundigte sich nach der Ursache der Verzögerung, und gleichgültig, worauf diese beruhte, zog er sich dann wieder in seine Kajüte zurück, wo er einen Wutanfall bekam, der sich darin äußerte, daß er alle zerbrechlichen Gegenstände, die sich gerade in seiner Reichweite befanden, auf den Boden schmiß.
    Peter und Jennie schätzten, daß der Käpten gut seine dreihundert Pfund wog. Er hatte ziemlich tiefliegende, verschmitzt blinzelnde Schweinsäugelchen, einen kleinen Schmollmund und ein Doppelkinn, dessen runde Speckfalten Peter an die konzentrischen Kreise erinnerten, die sich in einem Teich bilden, wenn man einen Stein ins Wasser wirft. Was sie aber beide am meisten erstaunte, war die verblüffende Tatsache, daß statt des tiefen und donnerartigen Gepolters, wie man es aus einem so gewaltigen Körper und mächtigen Brustkasten hervorbrechen zu hören erwartet hätte, sich, wenn er den Mund aufmachte, eine Fistelstimme vernehmen ließ, die genau so klang wie das Gurren eines Täuberichs, und je wütender er über etwas wurde — und auf See machten ihn fast alle Dinge wütend — um so piepsiger, sanfter und zärtlicher gurrte er. Auf die Brücke oder auch nur an Deck ging er nie ohne seinen senffarbenen weichen Filzhut, und bei schlechtem Wetter trug er kein Ölzeug und keinen Südwester wie die anderen Männer an Bord, sondern einen gelbbraunen Regenmantel. Besserer Laune und etwas umgänglicher wurde er nur, wenn die Gräfin einen Fluß hinaufdampfte oder zwischen zwei Landzungen in eine Bucht einfuhr. Dann ließ er sich sogar gelegentlich zu den Mahlzeiten in der Messe blicken.
    Mr. Strachan, der Erste Offizier, verkörperte in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil. Er war ein hochgewachsener noch junger Mensch mit rotem Haar, dichtstehenden blauen Augen und einer niedrigen Stirn, der, wie Jennie bemerkte, zwar nicht sehr intelligent war, aber das Meer liebte und alles, was sich darauf zutrug oder darauf bezog, als ein Abenteuer betrachtete, mochte es auch noch so geringfügig sein. Das mußte ihn natürlich mit dem Kapitän in Konflikt bringen, und ehrlich gesagt, kamen die beiden Männer auch nicht allzu gut miteinander aus. Doch hatte das, da Kapitän Sourlies seinem Ersten — jedenfalls auf See — praktisch die Schiffsführung überließ, nicht viel zu bedeuten.
    Peter entdeckte bald, daß Mr. Strachan, außer der Liebe zu seinem Beruf, noch zwei anderen Neigungen frönte. Er war nämlich ein begeisterter Anhänger der Fechtkunst, und wenn er in Glasgow und in London Landurlaub hatte, nahm er in beiden Städten regelmäßig an den Übungsabenden eines Fechtklubs teil. Außerdem war es seine Passion, von den phantastischen Begebenheiten und Abenteuern, die er im Laufe der Jahre auf See und in verschiedenen ausländischen Häfen erlebt haben wollte, nicht ganz glaubwürdig klingende Geschichten zum besten zu geben, die er mit einem etwas schmackhafter zu machen suchte.
    Wenn dann ein Zuhörer seine Verwunderung oder gar gelinde Zweifel daran bekundete, daß sich eine so kuriose Begebenheit wirklich zugetragen haben könnte, pflegte Mr. Strachan den für dieses Erlebnis anzutreten, indem er zum Beispiel ein ausgebranntes Streichholz einen kleinen Kieselstein oder einen zerknüllten Zettel hervorzog und sagte: Zu diesem Zweck sammelte er alle möglichen Dinge und hob er die komischsten Sachen auf, und er war richtig böse auf Mealie, den Smutje, wey dieser schließlich doch Kapitän Sourlies’ Befehl nachkam und die von Peter und Jennie gefangenen Mäuse und Ratten über Bord warf — denn Mr. Strachan war fest davon überzeugt, daß die Kadaver der Nagetiere einen untrüglichen Wahrheitsbeweis für die Geschichte der beiden Katzen geliefert hätten, die sich als blinde Passagiere an Bord geschmuggelt und, als sie entdeckt wurden, das Kostgeld für ihre Passage mit ihren Jagdtrophäen berappt hatten.
    Peter, der als Junge schon immer besonders gern Geschichten gelesen und Filme gesehen hatte, in denen

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