Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
Waffenruhe. Solange du dich wäschst, kann ich nichts tun, höchstens mich selber waschen, und folglich ist es nun an dir, mich anzugreifen, ein Vorteil, den du unbedingt wahrnehmen mußt.»
    Am schwersten fiel es Peter, allein schon durch eine entsprechende Körperhaltung und Blickrichtung die Oberhand zu behalten und allmählich ins Gefühl zu bekommen, wann er’s riskieren konnte, sich zu entspannen und sich abzuwenden, um sich ein wenig zu verschnaufen. Auch bereitete es ihm großes Kopfzerbrechen, zu welchem Zeitpunkt er die Pläne des Gegners zu durchkreuzen und ihn in Sicherheit zu wiegen vermochte, indem er sich einfach zu putzen begann oder so tat, als schaue er ganz woanders hin, und dann genau die Sekunde abzupassen, wo der andere völlig unvorbereitet war, und ihn dann seinerseits anzugreifen und dabei doch nicht die Spielregeln zu verletzen, auf die er sich manchmal überhaupt keinen Reim machen konnte.
    Nichts von alledem hätte Peter instinktiv als Junge getan, und so mußte er sich eines nach dem anderen erst von Jennie sagen lassen; und es erstaunte ihn oft, wie unermüdlich sie ihm wieder und wieder einbleute: «Duck dich, Peter! Jetzt setz dich rasch auf, guck weg — und wasch dich! Aber laß mich dabei keinen Moment aus den Augen. Ich warte nur darauf, dich anzuspringen, sobald du aufhörst, dich zu putzen. Also dreh dich um und geh in Stellung. Hier bin ich schon. Roll dich auf den Rücken, aber laß mich nicht los. Halt mich mit deinen Vorderpfoten fest und stoß dann mit den Hinterbeinen zu. Stärker... noch stärker! Nein, bleib, wo du gerade bist, Peter. Ich versuch’s gleich ein zweites Mal. Das Kinn auf die Brust, damit ich dir nicht an die Gurgel springen kann. Stoß zu! Und jetzt roll dich auf die Seite und setz dich dann wieder in Positur, die Pfote schlagbereit, um mir zu drohen. Wenn ich mit den Augen blinzle und zurückscheue — putz dich wieder! Jetzt tu so, als erblicktest du etwas, was dich interessiert, was aber nur in deiner Einbildung existiert. So ist’s recht. Wenn du das richtig hinkriegst, kannst du mich dazu bringen, auch dorthin zu gucken, und tu ich das dann, fällst du mit einem Satz über mich her!»
    Jennie hatte überdies ein System, die einzelnen Phasen und Variationen nach Punkten zu bewerten, so und soviele für Knüffe, so und soviele für Niederschlagen und Überrollen, für erfolgreiche Abwehr und geschickt eingeschobenes Waschen; für Jagden und Überfälle aus dem Hinterhalt, für das Ausrupfen von Haarbüscheln, die später genau gezählt wurden; für Finten und rechtzeitigen Rückzug, für Scheinangriffe und Ausweichmanöver und dazu noch Prämien für gute Position und für Rekordzeiten, in denen einer die Führung behielt, und wenn es einem der Spieler gelang, dem Gegner so dicht auf die Pelle zu rücken, daß er ihm die Kehle hätte durchbeißen können, hatte der Betreffende das Spiel gemacht und bekam noch hundert Punkte extra angerechnet.
    Nach und nach, anfangs kaum merklich, kamen sie auf die gleiche Anzahl Punkte, und bald siegte Peter immer häufiger über Jennie auf dem Trainingsplatz, den sie sich zwischen den Kisten und Ballen im vorderen Laderaum für Sport und Spiel ausgesucht hatten. Und als Peter so große Fortschritte machte, daß er fast jedesmal gewann, war niemand stolzer und froher darüber als Jennie. «Bald», sagte sie zufrieden, «wirst du gar nichts mehr von einem Menschen an dir haben und ein waschechter Kater sein.»
    Doch als dann das Unglück geschah, war es nur gut, daß Peter doch noch wie ein Mensch zu handeln vermochte.
    Eigentlich begann es damit, daß Peter seine erste Ratte fing. Die Gräfin von Greenock pflügte gerade die Irische See zwischen der Isle of Man und der Küste von Cumberland, nahe genug am Ufer, daß man an Bord im Inland die sonnenbeschienenen Gipfel der Cumbrischen Berge sehen konnte. Das Meer war ganz ruhig und fast so glatt wie ein Spiegel, und die einzige Wolke am Himmel war die schwarze Rauchwolke, die aus dem Schornstein der Gräfin emporstieg und die sie, als nun eine leichte Brise über sie hinstrich, mit sich forttrug wie eine schlampige alte Scheuerfrau, die sich mit einem alten schwarzen Baumwollschirm vor der Sonne schützt. Seit Liverpool hatten sie keinen Hafen mehr angelaufen und steuerten nun Port Carlisle an der schottischen Grenze an, und Kapitän Sourlies wollte unbedingt noch vor Anbruch der Nacht dort vor Anker gehen, weshalb der Frachter unter Volldampf fuhr, gewaltig qualmte

Weitere Kostenlose Bücher