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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Einmal entlockteich Charley Langdon die Einladung, für eine Woche zu kommen. Es war eine angenehme Woche, aber auch dieser Besuch musste einmal zu Ende gehen. Ich konnte mir nichts aus den Fingern saugen, was die Einladung verlängert hätte. Die Pläne, die ich ausklügelte, schienen nicht geeignet, sie zu täuschen.
Mich
jedenfalls täuschten sie nicht, und wenn sich jemand nicht selbst täuschen kann, hat er kaum eine Chance, andere zu täuschen. Aber schließlich kam mir das Glück zu Hilfe, und zwar von höchst unerwarteter Seite. Es war einer dieser Fälle, die in den vergangenen Jahrhunderten so häufig vorkamen, in unseren Tagen aber selten sind – ein Fall, bei dem die Hand der Vorsehung eingreift.
    Ich war bereit zur Abreise nach New York. Vor dem Tor stand ein leichter Pferdewagen mit meinem Koffer, und auf dem Vordersitz saß Barney, der Kutscher, die Zügel in der Hand. Es war acht oder neun Uhr abends und bereits dunkel. Ich verabschiedete mich von der Familie, die sich auf der vorderen Veranda versammelt hatte, und Charley und ich gingen zum Tor und kletterten auf den Wagen. Wir nahmen unsere Plätze hinter dem Kutscher auf der verbleibenden Sitzgelegenheit ein, die sich am Ende des Wagens befand und in Bezug auf unsere Annehmlichkeit ein Provisorium war und als solches nicht befestigt; eine Tatsache, deren wir uns – zu meinem Glück und dem des ungeborenen Stammes der Clemens – nicht bewusst waren. Charley rauchte. Barney berührte das Pferd mit der Peitsche. Das Pferd machte einen jähen Satz nach vorn. Charley und ich fielen rücklings über das Heck des Wagens. Im Dunkel beschrieb die rote Feuerknospe am Ende seiner Zigarre einen Bogen durch die Luft, den ich jetzt noch vor mir sehe. Das war der einzige sichtbare Punkt in der ganzen düsteren Szenerie. Ich schlug genau mit dem Scheitel auf und blieb einen Moment kopfüber stehen, dann sank ich ohnmächtig zu Boden. Für jemanden, der die Rolle nicht geübt hatte, war es eine sehr gute Ohnmacht. Die Gosse war aus Kopfstein und gerade ausgebessert worden. Mein Kopf blieb in einer Kuhle stecken, die von vier solchen Kopfsteinen gebildet wurde. Die Mulde war zur Hälfte mit frischem Sand gefüllt und bot mir ein sanftes Ruhekissen. Mein Kopf berührte keinen dieser Kopfsteine. Ich zog mir keine Prellung zu. Ich war nicht einmal durchgerüttelt. Mir fehlte nichts. Charley war ziemlichzugerichtet, aber in seiner Fürsorglichkeit für mich bekam er kaum etwas davon mit. Die ganze Familie schwärmte aus, allen voran Theodore Crane mit einem Fläschchen Brandy. Er goss mir genug davon zwischen die Lippen, dass ich würgen und prusten musste, aber meiner Ohnmacht kam er damit nicht bei. Um die kümmerte ich mich schon selbst. Es war sehr angenehm, die mitleidigen Ausrufe zu hören, die auf mich herabregneten. Es war einer der fünf, sechs glücklichsten Momente meines Lebens. Es gab nichts, was ihn getrübt hätte – außer dass ich keinen Schaden davongetragen hatte. Ich hatte Angst, dass es früher oder später auffliegen und meinen Besuch verkürzen würde. Ich war so schwer, dass es der vereinten Kräfte von Barney und Mr. Langdon, Theodore und Charley bedurfte, mich ins Haus zu schleppen, aber es wurde vollbracht. Ich war da. Ich wusste, dass ich gesiegt hatte. Ich war da. Auf unbestimmte Zeit – zumindest auf längere Zeit – wäre ich ein ungebetener Gast, und die Vorsehung hatte daran mitgewirkt. Man setzte mich in einen Sessel im Salon und ließ den Hausarzt kommen. Der arme alte Teufel, es war nicht recht, ihn nach draußen zu jagen, aber das war sein Geschäft, und ich war zu bewusstlos, um zu protestieren. Mrs. Crane – die liebe Seele, vor drei Tagen war sie hier im Haus, ergraut und schön und so mitfühlend wie eh und je –, Mrs. Crane brachte eine Flasche mit einer Art flüssigem Feuer, dessen Aufgabe es war, Prellungen zu lindern. Aber ich wusste, dass meine Prellungen es verspotten und verhöhnen würden. Sie goss es mir über den Kopf und verrieb es sanft massierend mit der Hand, und das glühende Zeug tropfte mein Rückgrat hinunter und markierte seinen Weg Zentimeter für Zentimeter mit dem ätzenden Gefühl eines Waldbrandes. Aber
ich
war zufrieden. Als sie ermüdete, schlug ihr Mann Theodore ihr vor, eine Pause einzulegen und eine Weile Livy mit der Schmerzlinderung weitermachen zu lassen. Das war äußerst angenehm. Ohne diese Wendung hätte ich augenblicklich zu mir kommen müssen. Unter Livys Handgriffen jedoch – wenn

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