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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Erwähnt
die Autobiographie seines Bruders Orion
    Ein beziehungsweise anderthalb Jahre vor seinem Tod hatte Mr. Langdon wegen eines gewissen Mr. Talmage Brown, der in die Familie eingeheiratet hatte, schwere Verluste erlitten. Brown hatte Memphis, Tennessee, mit der damals so beliebten hölzernen Straßenverkleidung ausgestattet, und zwar als Mr. Langdons Vertreter. Wäre der Auftrag gut ausgeführt worden, hätte er einen ordentlichen Gewinn abwerfen können; dank Browns Misswirtschaft warf er nur einen hohen Verlust ab. Solange Mr. Langdon am Leben war, war dieser Verlust ohne Bedeutung und konnte das Geschäft nicht schädigen.Etwas anderes war es, als Mr. Langdons Hirn und Hand, sein Ansehen und seine Persönlichkeit entfielen. Er handelte mit Anthrazitkohle. Diese Kohle verkaufte er in einem Landstrich, der sich bis Chicago erstreckte, und in einer Reihe von Städten hatte er bedeutende Filialen seines Unternehmens. Seine Agenten waren für gewöhnlich bei ihm hoch verschuldet und er entsprechend hoch bei den Eigentümern der Bergwerke. Sein Tod überließ die Leitung der Geschäfte drei jungen Männern – dem jungen Charley Langdon, Theodore Crane und Mr. Slee. Er hatte sie kurz zuvor mittels Schenkung als Geschäftspartner eingesetzt. Aber sie waren unbekannt. Die Geschäftswelt kannte J. Langdon, einen Namen, der für etwas stand, doch diese drei jungen Männer waren Zahlen ohne Wert. Später erwies sich Slee als ein fähiger Mann und überaus tüchtiger und überzeugungskräftiger Verhandlungsführer, doch zu der Zeit, von der ich spreche, waren seine Qualitäten noch unerkannt. Mr. Langdon hatte ihn eingearbeitet, so dass er für die Leitung der kleinen Firma gerüstet war. Theodore Crane war fachkundig auf seinem Gebiet – dem des Bürovorstehers und Aufsehers der nachgeordneten Kontoristen. Für diese Stellung hätte man keinen besseren Mann finden können; seine Fähigkeiten aber waren auf diese Position begrenzt. Er war redlich und rechtschaffen, unerschütterlich ehrlich und ehrenwert, besaß jedoch weder das Verlangen noch den Ehrgeiz, irgendetwas Höheres als Bürovorsteher zu werden. Für größere Arbeiten oder Verantwortlichkeiten war er viel zu schüchtern. Der junge Charley war einundzwanzig und nicht älter als sein Alter – will sagen, er war ein Junge. Seine Mutter hatte ihn von der Wiege an verwöhnt und sich zwischen ihn und solche Unannehmlichkeiten wie Pflichten, Studien, Arbeit, Verantwortung und so weiter gestellt. In der Regel war er nur dann zur Schule gegangen, wenn er Lust hatte, und er hatte nicht oft genug Lust dazu, als dass man es als Leidenschaft hätte missverstehen können. Wenn er Kopfweh hatte, brauchte er nicht einmal zu Hause zu lernen, und gewöhnlich hatte er Kopfweh – was nicht überrascht. Wenn seine Gesundheit und Vorlieben es erforderten, durfte er spielen, und sie erforderten es ziemlich häufig, denn in dieser Angelegenheit war
er
der Richter. Man erwartete von ihm nicht, dass er Bücher las, und er las nie welche. Das Resultat dieser Art Erziehung kann man sich denken. Doch ihn trafkeine Schuld. Seine Mutter war sein ärgster Feind und wurde es nur aus Liebe zu ihm, einer heftigen und stetig brennenden Leidenschaft. Es war der reinste Jammer. Er hatte einen ungewöhnlich aufgeweckten Geist; einen fruchtbaren Geist; einen Geist, der fruchtbar hätte sein können. Dank der katastrophalen Nachgiebigkeit seiner Mutter jedoch wurde sein Geist nicht kultiviert und verkam zur Wüste. Außerhalb des Geschäftlichen ist er noch immer eine Wüste.
    Charleys verhängnisvolle Ausbildung hatte ihn selbstgefällig, hochmütig und anmaßend gemacht. Slee und Theodore hatten schwerer an dieser Last zu tragen als Mr. Langdon. Mr. Langdon brauchte nichts anderes zu tun, als die Geschäfte zu leiten, wohingegen Slee und Crane die Geschäfte leiten mussten und Charley obendrein. Charley war der schwierigste Teil der Unternehmung. Er neigte dazu, Mr. Slees aussichtsreichste Vereinbarungen und Verhandlungen abzuändern und umzustoßen. Dann begann die Arbeit wieder von vorn.
    Aber ich wollte ja davon erzählen, wie ich unversehens zum Geschäftsmann wurde – eine Sache ganz außerhalb meines Fachgebiets. Eine sorgfältige Überprüfung von Mr. Langdons Angelegenheiten zeigte, dass die Aktiva achthunderttausend Dollar wert waren und diesen nur die üblichen Geschäftsverbindlichkeiten gegenüberstanden. Rechnungen, die sich auf ungefähr dreihunderttausend – möglicherweise

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