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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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diente
Mason, ein alter und geschätzter Freund von mir, als unser Generalkonsul in Frankfurt am Main. Ich
hatte ihn 1867, 68 und 69 in Amerika gut gekannt, und mitder Familie hatte ich
78 viel Zeit mit ihm und den Seinen in Frankfurt verbracht. Er war ein durch und durch befähigter,
fleißiger und gewissenhafter Beamter. Ja, er besaß diese Eigenschaften in einem solchen Maße, dass
er unter amerikanischen Konsuln zu Recht als Instanz gelten konnte, denn damals lag unser
Konsulardienst zu einem großen – ich glaube sagen zu können – zum größten Teil in den Händen
ignoranter, vulgärer und inkompetenter Männer, die in Amerika politische Befehlsempfänger gewesen
waren und jetzt ausgesorgt hatten dank der Versetzung in ein Konsulat, wo sie auf Regierungskosten
unterstützt wurden, statt ins Armenhaus verlegt zu werden, was billiger und patriotischer gewesen
wäre. 78 war Mason schon mehrere Jahre – schätzungsweise vier – Generalkonsul in Frankfurt. Er war
mit einer langen Liste vorzeigbarer Erfolge aus Marseille gekommen. Dort hatte er dreizehn Jahre
lang als Konsul gedient, und ein Teil seiner Erfolge war heroisch. In Marseille hatte eine
verheerende Choleraepidemie geherrscht, und Mason war der einzige ausländische Vertreter gewesen,
der bis zum Ende auf seinem Posten ausharrte. Und während dieser Zeit repräsentierte er nicht nur
sein eigenes Land, sondern alle anderen Länder der Christenheit und verrichtete deren Arbeit und
verrichtete sie gut und wurde dafür mit klaren und deutlichen Worten gelobt. Masons Erfolgsbilanz
hatte ihn vor der amtlichen Enthauptung gerettet, solange republikanische Präsidenten am Stuhl
klebten, jetzt aber gehörte der Stuhl einem Demokraten. Mr. Cleveland saß noch gar nicht richtig auf
diesem – er war noch nicht in sein Amt eingeführt –, als er auch schon von Gesuchen demokratischer
Politiker überschwemmt wurde, die die Ernennung von tausend und einem Demokraten vorschlugen, die
auf Masons Stelle politisch nützlicher wären. Mason schrieb mir und fragte mich, ob ich nicht etwas
unternehmen könne, um ihn vor dem Sturz zu bewahren.
    Dienstag, 6. März 1906
    Mr. Clemens bittet
die kleine Ruth, sich für Mr. Mason zu verwenden,
und dieser bleibt auf seinem Posten – Mr. Clemens’ Brief an Ex-Präsident
Cleveland – Mr. Cleveland als Sheriff in Buffalo – Als Bürgermeister legt er
sein Veto gegen eine Verordnung der Eisenbahngesellschaft ein – Mr. Clemens
und Mr. Cable besuchen Gouverneur Cleveland im Staatskapitol, Albany –
Mr. Clemens sitzt auf Klingelknöpfen und beordert sechzehn Sekretäre herbei –
Die Löwin des heiligen Mark
    Ich war sehr daran
interessiert, ihn auf seinem Posten zu halten, aber zunächst fiel mir nicht ein, wie ich ihm hätte
helfen können, denn ich war parteilich ungebunden. Wir, die Parteilosen, ein kleiner Trupp,
bestehend aus den Nichtversklavten beider Parteien, den besten Männern, die sich in beiden großen
Parteien fanden – so unsere Vorstellung –, stimmten zu sechzigtausend für Mr. Cleveland in New York
und verhalfen ihm zur Wahl. Unsere Prinzipien waren hehr und eindeutig. Wir waren keine Partei; wir
hatten keine Kandidaten; wir hatten keine Schlacht zu gewinnen. Unsere Stimme für den Mann, dem wir
sie gaben, ging mit keinerlei Verpflichtungen einher. Wir sahen es als geboten an, um kein Amt zu
bitten; kein Amt anzunehmen. Wenn wir wählten, war es unsere Pflicht, den besten Mann zu wählen,
ohne Rücksicht auf den Namen seiner Partei. Wir hatten kein anderes Credo. Den Besten zu wählen –
das war Credo genug.
    Angesichts
dieser Situation war ich ratlos, wie ich Mason helfen und mir zugleich meine Reinheit als
Parteiloser bewahren konnte. Es war eine heikle Position. Doch schon bald schälte sich aus dem
Knäuel verworrener Überlegungen hell und klar ein vernünftiger Gedanke heraus – und zwar der: Da es
die Pflicht eines Parteilosen war, sein Bestes zu tun, um den Besten ins Amt zu bringen, musste es
notwendigerweise auch die Pflicht eines Parteilosen sein, zu versuchen, den Besten im Amt
zu
halten
, wenn er sich schon dort befand. Jetzt stand mein Vorgehen fest. Es mochte nicht sehr
taktvoll sein, sich als Parteiloser direkt an den Präsidenten zu wenden, doch konnte ich mich
indirekt und voller Taktgefühl an ihn wenden, denn dann würde nicht einmal die Höflichkeit von ihm
verlangen, dem Gesuch, von dem niemandbeweisen konnte, dass es ihm je
angetragen worden war, Beachtung zu schenken.
    Ja, von nun

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