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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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kaltes Wasser und eine Unterkunft, die aus Wohnzimmer, Küche und zwei Schlafzimmern besteht und an den Stall angeschlossen ist.

[Die Grant-Diktate]
    Das Chicagoer G. A. R. Festival
    1866
    Zum ersten Mal sah ich General Grant im Herbst oder Winter des Jahres 1866, als er noch
General of the Army
war, bei einem der Empfänge in Washington. Ich sah ihn nur und schüttelte ihm wie alle anderen in der Menschenmenge die Hand, unterhielt mich aber nicht mit ihm. Auch General Sheridan sah ich dort zum ersten Mal.
    Danach begegnete ich General Grant während seiner ersten Amtsperiode als Präsident.
    Senator Bill Stewart aus Nevada schlug mir vor, mich mitzunehmen und dem Präsidenten vorzustellen. Wir trafen ihn in seiner Arbeitskleidung an, einem alten kurzen Kittel aus Leinen, der über und über mit Tinte bekleckst war. Dank der Briefe, die ich auf meiner Weltreise, der Expedition mit der
Quaker City,
für die
New York Tribune
geschrieben hatte, war ich zu einiger Berühmtheit gelangt. Ich schüttelte ihm die Hand, dann entstand eine Pause. Mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können. So blickte ich einen Augenblick lang schweigend in die grimmige, unbewegliche Miene des Generals und sagte dann: »Herr Präsident, ich bin verlegen – sind Sie es auch?« Er lächelte ein Lächeln, das einer gusseisernen Büste angestanden hätte, und im Pulverrauch meiner Salve trat ich den Rückzug an.
    Zehn Jahre lang sah ich ihn nicht wieder. In der Zwischenzeit war ich durch und durch berüchtigt geworden.
    Dann, im Jahre 1879, war der General gerade von seiner Reise durch die Welt von Europa und von Asien zurückgekehrt, seine Tour von San Francisco nach Osten war eine einzige Ovation gewesen, und nun sollte er in Chicago von den Veteranen der Armee des Tennessee festlich empfangenwerden – der ersten Armee, die er befehligt hatte. Die Vorbereitungen für dieses Ereignis waren seiner Bedeutung angemessen. Das Empfangskomitee telegraphierte mir und fragte an, ob ich anwesend sein würde und beim Festbankett den Toast auf die Damen übernehmen wolle. Ich telegraphierte zurück, dieser Toast sei abgenutzt. Alles, was bei einem Festbankett über Damen gesagt werden könne, sei bereits gesagt worden, aber es gebe eine Gruppe der Gesellschaft, die bei solchen Gelegenheiten stets übersehen worden sei, und wenn man es mir gestatte, würde ich meinen Toast auf diese Gruppe ausbringen: »die Babys«. Man war einverstanden – und so arbeitete ich meinen Toast aus und fuhr nach Chicago.
    Es sollte eine gewaltige Parade stattfinden. General Grant sollte sie von einer Tribüne aus abnehmen, die eigens zu diesem Zweck vor einem Fenster im ersten Stock des Palmer House errichtet worden war. Sie war mit Teppich ausgelegt und mit Flaggen und dergleichen aufgeputzt.
    Der beste Standort, um die Parade zu besichtigen, war natürlich diese Tribüne. Also schlenderte ich, solange sie noch leer war, hinaus in der Hoffnung, man werde mir erlauben, dort Platz zu nehmen. Es war ein ziemlich auffälliger Aufenthaltsort, denn auf ihn richteten sich die Augen des versammelten Publikums, und die Menschenmenge war schier unüberschaubar. Gleich darauf kamen vom Fenster des Hotels zwei Gentlemen auf die Aussichtsterrasse und traten nach vorn. Aus der riesigen Menschenmenge stiegen laute Jubelrufe auf, und in einem der beiden Gentlemen erkannte ich General Grant. Der andere war Carter Harrison, der Bürgermeister von Chicago, mit dem ich bekannt war. Er erblickte mich, kam auf mich zu und fragte, ob ich dem General vorgestellt werden wolle. Ich bejahte. So ging er mit mir zu ihm hinüber und sagte: »Herr General, erlauben Sie mir, Ihnen Mr. Clemens vorzustellen«, und wir schüttelten einander die Hand. Es folgte die gewohnte kurze Pause, dann sagte der General: »Ich bin nicht verlegen – sind Sie es?«
    Was beweist, dass er für Belanglosigkeiten ein ebenso gutes Gedächtnis hatte wie für ernsthafte Dinge.
    Das Bankett war das bei weitem bemerkenswerteste, an dem ich je teilgenommen habe. Es waren sechshundert Gäste anwesend, hauptsächlichVeteranen der Armee des Tennessee, und allein das hätte es in meiner Erfahrung zu einem höchst bemerkenswerten Ereignis dieser Art gemacht, aber es gab noch andere Aspekte, die dazu beitrugen. General Sherman und nahezu alle überlebenden großen Generäle des Bürgerkriegs hatten sich um General Grant auf einem Podest gruppiert.
    Die Redner waren von seltener Berühmtheit und Gewandtheit.
    An jenem Abend hörte

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