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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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dem
     Wirbel stützte ich mich gar nicht übermäßig auf die
Alta
-Briefe. Ich
     befand, dass sie Zeitungsstoff, nicht Buchstoff seien. Sie waren hier und da und
     dort entstanden, je nachdem, ob sich während unserer fieberhaften Jagd durch Europa
     oder in der Gluthitze meiner Kabine an Bord der
Quaker City
zufällig ein
     oder zwei Gelegenheiten zum Arbeiten ergeben hatten, daher waren sie sehr locker
     komponiert und machten es notwendig, etwas von dem Wind und Wasser herauszupressen.
     Ich verwendete einige – zehn oder zwölf vielleicht. Den Rest der
Arglosen
     im
Ausland
schrieb ich in sechzig Tagen, und hätte ich vierzehn Tage Arbeit
     mit der Feder angehängt, wäre ich ganz ohne die Briefe ausgekommen. Damals war ich
     noch sehr jung, ausgesprochen jung, wunderbar jung, jünger, als ich jetzt bin,
     Hunderte von Jahren jünger, als ich je wieder sein werde. Ich arbeitete jede Nacht
     von elf oder zwölf bis zum hellen Morgen, und da ich in den sechzig Tagen
     zweihunderttausend Wörter zu Papier brachte, waren es durchschnittlich mehr als
     dreitausend Wörter pro Tag – nichts im Vergleich zu Sir Walter Scott, nichts im
     Vergleich zu Louis Stevenson, nichts im Vergleich zu vielen anderen Leuten, für mich
     aber recht ansehnlich.
    1897, als wir in Tedworth Square, London, wohnten
     und ich das Buch
Reise um die Welt
schrieb, betrug mein Durchschnitt
     achtzehnhundertWörter pro Tag; hier in Florenz (1904) scheint
     sich mein Durchschnitt auf vierzehnhundert Wörter in einer vier- oder fünfstündigen
     Sitzung zu belaufen. 5
    Aus dem Obenstehenden schließe ich, dass ich mich
     in diesen sechsunddreißig Jahren stetig verlangsamt habe, merke aber, dass meine
     Statistik einen Mangel aufweist: Dreitausend Wörter im Frühjahr 1868, als ich
     sieben, acht oder neun Stunden am Stück arbeitete, haben einer heutigen Sitzung, die
     nur halb so lang dauert und halb so viel Leistung hervorbringt, wenig oder gar
     nichts voraus. Zahlen amüsieren mich oft, besonders wenn ich sie selbst
     zusammenstelle; in diesem Fall träfe die Disraeli zugesprochene Bemerkung voll und
     ganz zu:
    »Es gibt
     drei Arten von Lügen: Lügen, verdammte Lügen und Statistiken.«
    [Robert Louis Stevenson und Thomas Bailey
     Aldrich]
    Aber es war auf einer
     Parkbank am Washington Square, dass ich Louis Stevenson etwa näher kennenlernte. Ein
     Ausflug, der eine Stunde oder länger dauerte und sehr angenehm und ungezwungen
     verlief. Ich war mit ihm von seinem Haus gekommen, wo ich seiner Familie meine
     Aufwartung gemacht hatte. Sein Geschäft am Square bestand darin, den Sonnenschein zu
     absorbieren. Er war nur sehr dürftig mit Fleisch ausgestattet, seine Kleider, als
     stecke darin nur das Gerüst für die Statue eines Bildhauers, schienen in Mulden zu
     versacken. Sein längliches Gesicht, sein strähniges Haar, sein dunkler Teint und
     seine grüblerische und schwermütige Miene schienen zu diesen Einzelheiten genau und
     harmonisch zu passen und dieses Gesamtbild eigens dazu gedacht, die Strahlen unserer
     Beobachtung zu sammeln und sie auf Stevensons besonderes Charakteristikum und
     beherrschendes Merkmal zu lenken, seine herrlichen Augen. Sie brannten unter der
     Dachwohnung seiner Brauen mit glühend hellem Feuer und machten ihn schön.
    ***
    Ich sagte, mit den anderen habe
     er wohl recht, aber was Bret Harte angehe, so irre er; in etwa sagte ich, bei Harte
     sei man in guter Gesellschaft, er sei ein karger, aber angenehmer Gesprächspartner;
     stets intelligent, aber nie brillant; dass er in dieser Hinsicht nicht mit Thomas
     Bailey Aldrich auf eine Stufe gestellt werden dürfe, übrigens auch kein anderer
     Mann, ob der Antike oder der Moderne; dass Aldrich stets geistreich, stets brillant
     sei, wenn jemand zugegen sei, der seinen Feuerstein im richtigen Winkel zu schlagen
     verstehe; dass er so sicher, schnell und unfehlbar wie das glühend heiße Eisen auf
     dem Amboss des Schmiedes sei – man brauche es nur geschickt zu bearbeiten, und schon
     flögen die Funken. Ich fügte hinzu:
    »Was schlagfertige, prägnante, geistreiche,
     humorvolle Aussprüche angeht, hat Aldrich nie seinesgleichen gehabt. An gelungenen
     Formulierungen, mit denen er diese Kinder seiner Einbildungskraft einkleidete, ist
     niemand ihm gleichgekommen, gewiss hat niemand ihn übertroffen. Aldrich war immer
     brillant, er konnte gar nicht anders, er ist ein mit rosa Diamanten besetzter
     Feueropal; wenn er nicht spricht, weiß man, dass

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