Meine geheime Autobiographie - Textedition
ersten zwei oder drei Wochen war mir die Vielfalt der Namen lästig, da mir nur einer
der Namen bekannt war. Wenn Briefe für die Dienstboten eintrafen, die an eine der
anderen Adressen gerichtet waren, nahm ich an, dass ein Irrtum vorlag, und schickte
sie weiter. Man hatte mir erläutert, dass es eine Erklärung für die verschiedenen
Namen gebe. Den Namen Quarto hat die Villa von dem Distrikt, in dem sie liegt,
nämlich innerhalb eines Vier-Meilen-Radius um das Zentrum von Florenz. Reale wird
sie genannt, weil einst der König von Württemberg, Principessa und Granduchessa,
weil ein andermal eine Tochter des russischen Zarenhauses sie bewohnt hatte.
Irgendwo gibt es eine Geschichte des Hauses, und irgendwann werde ich sie mir
beschaffen und nachschlagen, ob irgendwelche Details darin enthalten sind, die in
diesem Kapitel von Nutzen sein könnten. Ich würde dieses Buch gern sehen, denn als
Evolutionist möchte ich die Anfänge des Gebäudes und die verschiedenen Phasen seiner
Entwicklung kennen. Baedeker schreibt, dass es unter Cosimo I. erbaut wurde, von dem
Architekten []. Dies habe ich in den letzten drei Minuten
erfahren, und das macht mein ganzes Entwicklungsschemazuschanden. Ich hatte gemutmaßt, dass das Haus klein und bescheiden angefangen
hat und das Werk eines armen Bauern war, dessen Vorstellung von heimischer
Behaglichkeit es entsprach; dass ein oder zwei Generationen später ein Nachfolger
von höherem Stand und umfangreicheren Mitteln kam, der einen Anbau errichtete; dass
im Laufe der Zeit Nachfolger um Nachfolger mehr Ziegel und mehr Substanz hinzufügten
und jeder ein Detail, eine Farbe oder eine Tapete, hinterließ, um seine Regentschaft
von der der anderen zu unterscheiden; dass schließlich, im vorigen Jahrhundert,
meine drei unmittelbaren Vorgänger kamen und ihre Besonderheiten dazugaben. Der
König von Württemberg schuf in der Mitte des Gebäudes – etwa dreißig Meter von
beiden Enden entfernt – genügend Raum, um die große Treppe einzubauen, eine
minderwertige und angeberische Angelegenheit, fast der einzige Gegenstand aus Holz
in dem ganzen Bauwerk und gerade so komfortabel, vernünftig und befriedigend wie
untypisch für den Rest der Unterkunft. Die russische Prinzessin, die ihren
heimischen Aberglauben bezüglich kalten Wetters mitbrachte, ließ die Heißluftkessel
im Keller und den riesigen grünen Majolika-Ofen in der großen Eingangshalle
einbauen, wo sich die Treppe des Königs befindet – einen Ofen, den ich fast für eine
Kirche gehalten hätte, für eine Kinderzimmerkirche, so sehr beeindruckt er durch
seine Größe, so reich ist er mit ultrafrommen Flachreliefs verziert. Versorgt und
befeuert wird er von einer geheimen Stelle hinter der Trennwand, vor der er steht.
Als Letzter kam Satan, die Gräfin Massiglia, heutige Besitzerin des Hauses, ein
amerikanisches Produkt und in jeder Hinsicht männlich außer dem Geschlecht. Sie
fügte ein billiges und knauseriges System elektrischer Klingeln hinzu, eine
unzulängliche Azetylengasanlage, veraltete Wasserklosetts, vielleicht ein Dutzend
maschinell gefertigter Pensionsmöbel und einige Teppiche aus einem
Brandschadenverkauf, die den lieben langen Tag die Maßstäbe von Farbe und Kunst
verhöhnen und sich nicht eher beruhigen, bis die Dunkelheit hereinbricht und sie
besänftigt.
Falls
jedoch das Haus vor vierhundert Jahren für Cosimo erbaut wurde, und zwar mit einem
Architekten an Bord, muss ich meine Ansichten über die allmähliche Vergrößerung des
Hauses wohl aufgeben. Cosimo hätte eingroßes Haus gewollt, er
hätte es selbst bauen wollen, damit es genau so würde, wie er es sich wünschte. Ich
glaube, er hat seinen Willen durchgesetzt. Was die Architektur dieser Baracke
betrifft, hat eine Entwicklung nicht stattgefunden. Schon zu Beginn hatte es keine
Architektur gegeben, und es ist auch keine hinzugefügt worden, ausgenommen die
protzige Treppe des Königs, der ekklesiastische Ofen der Prinzessin und die
veralteten Wasserklosetts der Gräfin. Ich spreche hier von künstlerischer
Architektur; es gibt keine.
Es gibt an dieser langgestreckten hässlichen und
ornamentlosen dreistöckigen Fassade nicht mehr Architektur dieser Art als bei einer
Seiler- oder Kegelbahn. Form und Proportionen des Hauses legen derartige Vergleiche
nahe, es misst sechzig Meter in der Länge und zwanzig in der Breite. Es gibt keine
Weitere Kostenlose Bücher